Alexander Gruslak aus Fellbach hat den Menschen in der Ukraine schon geholfen, als dort noch Frieden herrschte. Jetzt benötigt er Spenden von Verbandsmaterial, Decken, Isomatten, Lebensmittel und Kleidung.
Fellbach - Das Video, das Alexander Gruslak von einem Freund in Kiew geschickt bekam, hat ihn schockiert, fassungslos und traurig gemacht. „Ich kenne diese Straße, das ist eigentlich eine hübsche Gegend“, erzählt der 60-Jährige aus Oeffingen. Doch die jüngsten Bilder zeigen nichts mehr von der Vorstadtidylle mit Einfamilienhäusern und Vorgärten, sondern Panzer und Zerstörung. „Putin wollte immer die Ukraine als Puffer zwischen der Nato und Russland“, sagt Alexander Gruslak kopfschüttelnd. Er unterstützt schon lange Menschen dort und hat beste Kontakte in das Land. Jetzt ruft er verstärkt zu Spenden auf.
Hilfe für Menschen vor Ort
„Wir brauchen vor allem Verbandsmaterial, Hygieneartikel, Decken, Schlafsäcke, Isomatten, Kleidung und Lebensmittel“, sagt Gruslak, der in Kasachstan geboren wurde, in Lettland aufwuchs und seit 1975 als Spätheimkehrer in Deutschland lebt – und dessen Großeltern, die deutsche Wurzeln hatten, lange in der Ukraine zu Hause waren. Als die Grenzen gen Osten in den 1990er Jahren durchlässig wurden, besuchte Alexander Gruslak zum ersten Mal das Land seiner Vorfahren. „Meine Großeltern haben in Schitomir gelebt, das liegt ziemlich in der Mitte zwischen Kiew und der polnischen Grenze“, erzählt er. Verwandte habe er dort nicht mehr, aber mittlerweile viele Freunde und Bekannte. Und seit seinem ersten Besuch hilft er den Menschen vor Ort.
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Anfangs organisierte er privat Transporte mit Wasserkanistern und Brennholz. Seit 2002 läuft die Hilfe offiziell über den Verein Aktion Straßenkinder. Weil vor allem jungen Menschen in der Ukraine berufliche Perspektiven fehlten, richtete er gemeinsam mit Gleichgesinnten zunächst eine Nähschule für Mädchen ein. „Alles wurde mit den Behörden abgestimmt, damit sie offiziell die Prüfung ablegen können.“ Doch dabei blieb es nicht. Als Nächstes boten sie Computerkurse an. Später seien dann noch Einrichtungen für angehende Köche, Bäcker und eine Lehrschlosserei dazukommen, erzählt der gelernte Maschinenschlosser. „Alle Schulen gibt es noch, aber gerade ist kein Unterricht.“
Unterstützung für Straßenkinder
Den Straßenkindern in den Großstädten, vor allem in Kiew, hat Alexander Gruslak viele Jahre geholfen. „Sie lebten in Schächten und Kanälen unter der Stadt und sind tagsüber betteln gegangen und haben geschnüffelt.“ Die Straßenkinder seien mittlerweile aber nahezu alle verschwunden. „Als die Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine ausgetragen wurde, sind die meisten von ihnen plötzlich weg gewesen. Ich weiß nicht, was mit ihnen passiert ist. Bis heute sieht man nur noch vereinzelt welche.“ Den Verein Aktion Straßenkinder, der seit 15 Jahren Räume und ein großes Lager in Schorndorf hat, haben er und seine Mitstreiter nicht umbenannt. Doch in den vergangenen Jahren haben sie sich verstärkt um alleinerziehende Frauen, Kinder sowie um alte Menschen gekümmert. Doch jetzt brauchen alle Ukrainer Hilfe, und Alexander Gruslak und das Team von Aktion Straßenkinder packen wieder an.
Das Lager im Schock-Areal in der Daimlerstadt ist bis unter die Decke voll, doch es wird noch viel mehr gebraucht, sagt Alexander Gruslak und hofft auf große Spendenbereitschaft der Bevölkerung. Ein Lastwagen sei schon über der ukrainischen Grenze, erzählt Alexander Gruslak. Der zweite ist am Dienstagabend losgefahren, der dritte soll an diesem Mittwoch auf die lange Reise gehen. Die Helfer packen alles in große Kartons und beschriften sie, damit die Verteilung vor Ort reibungslos ist. „Mindestens zwei weitere Lkws aus der Ukraine erwarten wir noch in den nächsten Tagen.“ Erst habe es geheißen, dass nur Fahrer über 60 Jahre nach Deutschland dürften, es seien aber doch auch junge Männer darunter, sagt Alexander Gruslak. „Sie müssen versprechen, dass sie wiederkommen.“ Ziel der von ihm organisierten Hilfsaktion und der Lastwagen ist die Missionsstation in Sarny, rund 200 Kilometer hinter der polnisch-ukrainischen Grenze. Von dort, sagt Alexander Gruslak, werden die Sachspenden an die Menschen verteilt.
Kindern und Mütter bei der Flucht geholfen
Am Samstag ist Alexander Gruslak nach Ungarn gefahren und hat Kinder und Mütter, die die Flucht bis dorthin geschafft haben, nach Deutschland zu Verwandten und Bekannten gebracht. „Als ich durch Österreich gefahren bin, habe ich Kolonnen von Nato-Fahrzeugen gesehen.“ Doch nicht nur für die Menschen hat der 60-Jährige ein Herz. Wenn noch irgendwo Platz ist, nehmen die Lastwagen auch Hundefutter mit in die Ukraine. Dank seiner Hilfe ist es einem Ehepaar mit ihrer großen Hundeschar gelungen, sich in das noch ruhige Sarny zu retten. Auch davon gibt es ein Video. Anders als bei den Straßenszenen fliegt Alexander Gruslak beim Anblick der fröhlich wedelnden Hundeschar und den glücklichen Besitzern ein Lächeln über sein Gesicht.
Bevor die Russen einmarschierten, hatte Alexander Gruslak geplant, am 19. März in die Ukraine zu fahren. „Und ich habe es auch noch immer vor. Ich will helfen und organisieren, das ist meine Stärke.“
Mehr Informationen zur Spendenaktion für die Ukraine gibt es unter www.aktion-straßenkinder.de und telefonisch von Alexander Gruslak unter der Nummer 0179/7 89 85 58.