Aktivisten des Fellbacher Naturschutzbunds befreien Alizée, die sich im 21. Stock im Netz der Baustelle verfangen hatte. Mittlerweile hat der Nabu die Zusage erhalten, dass die Netze von der Fassade des Schwabenlandtowers entfernt werden.
Still ruht derzeit hierzulande fast jeder See in der winterlichen Atmosphäre. Und still harrt auch der Rohbau des mittlerweile bundesweit bekannten, 107 Meter hohen Fellbacher Schwabenlandtowers seiner weiteren Entwicklung. Der Investor, die Adler Gruppe, sucht seit bald zwei Jahren einen Käufer, der den Wohnturm fertigstellt, konnte bisher allerdings keine Erfolgsmeldung verkünden.
Jetzt allerdings kam nun unerwartet doch reichlich Leben in den Wolkenkratzer. Das Superhochhaus mit seinen 34 Stockwerken wird zwar von den meisten Fellbachern gar nicht mehr richtig beobachtet, sondern einfach als irgendwie gottgegeben hingenommen, weil sich ja eben doch nichts tut und weit und breit kein Bauarbeiter zu sehen ist. Allerdings schweift bei so manchem Passanten halt doch gelegentlich der Blick in lichte Höhen.
Ein Passant hat den verhedderten Falken bemerkt
So war es auch vor wenigen Tagen. Offenbar hatte ein Passant oder womöglich auch ein Nachbar – so ganz genau ist das bisher noch gar nicht bekannt – bemerkt, dass sich Ungewöhnliches an der Fassade tut. Allmählich erkannte er dann auch, was es sein könnte, nämlich ein Vogel, der sich offenbar mit seinen Füßen im Netz der Baustelle verheddert hatte und nicht befreien konnte. Umgehend informierte der Beobachter telefonisch den Naturschutzbund Baden-Württemberg, der dann wieder den Nabu Fellbach unterrichtete. Die Fellbacher Aktivisten kümmern sich schon seit Jahren um die Towerfalken, also die Vögel, die ihren Nistplatz ganz oben haben und bei denen es sich allerdings, wie Ornithologen wissen, natürlich nicht um Turmfalken, sondern um Wanderfalken handelt. Konkret sind es der Terzel Alvar und seine Dame, das Weibchen Alizée, so der Nachwuchs, den der Nabu im übertragenen Sinn unter seinen Fittichen hat.
Direkt nach dem Anruf, der den Fellbacher Nabu vormittags gegen 11 Uhr erreicht hatte, machten sich die Vogelfreunde Manfred Brauch und Heribert Baier, die glücklicherweise Zeit hatten, auf den Weg zum ganz im Osten der Kernstadt gelegenen Schwabenlandtower.
Kurz danach trafen auch die weiteren Nabu-Mitglieder Marita Dorst und Friedemann Tewald ein. „Zunächst waren wir sehr ratlos, die Situation sah sehr kompliziert aus, denn das Wanderfalkenweibchen Alizée befand sich in einer absolut hilflosen Situation. Es hing im 21. Stockwerk fest und war vom Gebäude aus absolut nicht zu erreichen“, erläutert Tewald.
Das Netz war an dieser Stelle mehrere Meter vom Gebäude entfernt. Letztendlich gelang es, das Netz über das Dach des Aufzuges zu erreichen. Hierfür musste Heribert Baier über eine Leiter im Aufzug das Aufzugsdach erklimmen, um zu versuchen, in schwindelnder Höhe das Netz fassen zu können. Baier bekam das Netz so weit hergezogen, dass Alizée befreit werden konnte. Es war mehrfach um den Fuß gewickelt, konnte aber rasch entfernt werden.
Verdacht auf Fußbruch hat sich nicht bestätigt
Zusammen mit den erfahrenen Nabu-Kollegen Herbert Kugel und Werner Rathgeb wurde das weitere Vorgehen besprochen. „Glücklicherweise haben wir in Fellbach eine Tierärztin, die sich mit (Wild-)Vögeln gut auskennt“, berichtet der Nabu. Der Weg führte also zur Veterinärin Dr. Stefanie Pflanz in den Teilort Schmiden. Nach einer gründlichen Untersuchung der Falkendame konnte Entwarnung gegeben werden. „Der Verdacht eines Bruches am rechten Ständer (Fuß) konnte nicht bestätigt werden“, sind die Nabu-Aktivisten erleichtert und bedanken sich bei der Ärztin für die rasche und unkomplizierte Hilfe.
Am Nachmittag folgte schließlich die Rückfahrt zum Wohnturm, wo die Falkendame auf dem Dach des SLT 107 wieder in die Freiheit entlassen wurde. „Regelmäßig ist Alizée seither auch mit dem Terzel Alvar wieder an der Box auf dem SLT 107 zu sehen.“
Die Bilanz der Retter: „Alizées Glück war, dass sie schnell entdeckt worden war und die rasche Bergung durch die ehrenamtlich Helfenden des Nabu Fellbach gelang. Längere Zeit hätte sie das nicht überlebt.“ Schon einmal war einem Jungfalken das Netz zum Verhängnis geworden.
Falkenkameras sind wieder live auf Sendung
Das soll sich nicht wiederholen. Denn, so der Nabu, nachdem er Gespräche mit der Unteren Naturschutzbehörde im Waiblinger Landratsamt geführt hat: „Inzwischen steht die Zusage, dass die Netze entfernt werden.“ Die soll, so die aktuelle Auskunft, am Dienstagvormittag der Fall sein.
Seit dem 31. Januar sind die Falkenkameras wieder live auf Sendung, und die Öffentlichkeit kann unter falcommunity.de Einblicke in das Leben der Wanderfalken auf dem Schwabenlandtower 107 erhalten.