Volles Haus: In der Schwabenlandhalle finden wegen des Brands in Waiblingen mehrere Veranstaltungen gleichzeitig statt. Foto:  

Wegen des Brands im Bürgerhaus in Waiblingen werden Veranstaltungen nach Fellbach ausgelagert. So gibt es zur gleichen Zeit gleich dreimal Kultur: Oper, Theater, Konzert.

Fellbach - So viel Hochkultur ist selten an einem Wochenende in der Schwabenlandhalle. Eine Oper mit opulenter Ausstattung und schönen Stimmen gesellte sich zu einem Theaterstück der harten Kost, aber mit eindrucksvollen Schauspielern, beides am Freitag. Und am Sonntag kam noch ein brillanter Pianist hinzu, der nach Tschaikowkys „Die Jahreszeiten“ auch die beliebten und bekannten „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky mit großer Klarheit und Raffinesse bei phasenweise atemberaubendem Tempo, an anderer Stelle feinsinnig mit ungewöhnlich lange ausklingenden Akkorden in seiner persönlichen Weise vortrug.

Natürlich ist der Anlass für diese Häufung kein Jubelereignis

Natürlich ist der Anlass für diese Häufung kein Jubelereignis: Pianist Nikolai Tokarev hatte eigentlich im Ghibellinensaal des Bürgerzentrums Waiblingen in der Mietereihe K der Stauferstadt auftreten sollen, ebenso wie die Städteoper Südwest aus Pforzheim mit „Candide“ von Leonard Bernstein in der Mietereihe A. Der große Saal des Bürgerzentrums ist, wie bekannt, beim Großbrand zwar äußerlich weitgehend unversehrt geblieben, bespielbar ist er trotzdem nicht. Nur der Theaterabend „Martinus Luther“ ist in Fellbach als Teil der S-Miete vom hiesigen Kulturamt verantwortet (siehe unten stehend).

Der unfreiwillige doppelte Umzug nach Fellbach führte zu einem großen Kontrast: Der geradezu asketisch ausgeformte „Martinus Luther“ benötigt gerade mal drei allerdings eindrucksvolle Mimen für das abendfüllend faszinierende Stück. Wer allerdings durch das Türle in der gläsernen Trennung aus dem gut besetzten Hölderlinsaal auf die andere Seite in den Hesse-Saal schlüpfte (und das auch durch Kartenbesitz durfte), erlebte dort ein improvisierfreudiges Ensemble, das – seines Bühnenbilds beraubt – aus der ankündigten konzertanten Aufführung trotz Mini-Bühne ein munteres Spektakel mit Spielszenen eng bei den Zuschauern machte. Mehr dürfte im für Kongresse konstruierten Hesse-Saal kaum möglich sein. Ein etwa 40 Köpfe umfassendes Orchester begleitete live die elf stimmgewaltigen Sänger, denen der Chor des Theaters Pforzheim beistand.

Die Inszenierung von Magdalena Fuchsberger unterstrich den farcehaften Charakter des Werks, das auf einer satirischen Novelle Voltaires beruht. Fantasiekostüme mit leicht clowneskem Einschlag und übertriebene Masken schlugen die Stimmung an, Regieassistent Zufall fügte ein den Zuschauern verborgen gebliebenes Detail hinzu: Die Künstlergarderobe befand sich im Mörike-Saal – der einzige Weg auf die Bühne, der nicht durch Zuschauerreihen ging, führte durchs Damenklo!

Etwa 240 Besucher waren aus Abo- und Kartenverkauf für „Candide“ erwartet worden

Etwa 240 Besucher waren übrigens aus Abo- und Kartenverkauf für „Candide“ erwartet worden. Es sah so aus, als wären am Freitag nicht alle ins Ausweichauditorium gekommen. Ganz anders am Sonntag, als gut 600 Besucher im Hölderlinsaal gewesen sein dürften. Sie erhielten übrigens etwas, was es seit 1928 nicht mehr gegeben hat – eine Bühnenkomposition zu den „Bildern einer Ausstellung“ nach einem Werk des abstrakten Malers Wassily Kandinsky, hier als Computeranimation mit dessen typischen geometrischen Formen. Ob diese Show Wesentliches zum Kunstgenuss beitrug, war hinterher umstritten, die Musik aber weckte Begeisterungsrufe und durchweg großen Applaus. Die Zuschauer erhielten darauf unerwartet drei Zugaben von Nikolai Tokarev – als reine Klavierstücke.

Es ist also bemerkenswert und glücklich für die Zuschauer, wenn zwei Veranstaltungen wenige Tage nach teilweiser Zerstörung einer Halle in kurzer Entfernung so erfolgreich doch noch stattfinden können. Thomas Vuk, Fachbereichsleiter Kultur und Sport in der Stadtverwaltung Waiblingen, dankte der Schwabenlandhalle überschwänglich, die eine Ausweich-Spielstätte unbürokratisch und flexibel möglich machte. Interkommunale Zusammenarbeit, sonst oft kaum mehr als ein Schlagwort, hat sich hier, so sagt er, gezeigt und bewährt.