Die Pleite des Gewa-Tower-Investors beschäftigt nun die Justiz – der Vorwurf: Marktmanipulation. Damit rückt der Wohnturm wieder in den Fokus. Wie geht es jetzt weiter?
Der Spott war schon da, da war noch nicht mal ansatzweise etwas von den angekündigten Dimensionen zu sehen. Angepeilt war immerhin der republikweite Bronze-Platz: „Im dritthöchsten Wohnturm Deutschlands werden Träume wahr“, versprach der damalige Investor des Gewa-Towers, wie er seinerzeit noch hieß. 65 exklusive Wohnungen auf 34 Etagen, fantastische Aussichten im 107 Meter hohen Gebäude, da müssten sich doch genügend Interessenten finden lassen, die mehrere Millionen Euro für die Luxuswohnungen in den oberen Stockwerken übrig haben.
„Ein Wolkenkratzer in tiefster Provinz“
Mit dem Spatenstich geriet der damals noch als Gewa-Tower angekündigte 107-Meter-Traum auch bundesweit in den Fokus der Berichterstattung: „Ein Wolkenkratzer in tiefster Provinz“, titelte beispielsweise die Tageszeitung „Die Welt“. In Leserbriefen an unsere Zeitung war vom „Wolkenkratzerle“ die Rede. Und: „Im schlimmsten Fall bekommen wir wenigstens Deutschlands höchste Bauruine.“
Die Häme ist nur zum Teil berechtigt: Üblicherweise hat der Begriff Wolkenkratzer in der Architektur tatsächlich erst ab 150 Metern Höhe seine Berechtigung – da kommt Fellbach mit seinen 107 Metern nicht heran. Die Bezeichnung „tiefste Provinz“ allerdings ist bei einem Projekt, das nur wenige Kilometer von der Landeshauptstadt Stuttgart und den dort gelegentlich doch gelingenden Hochhausprojekten wie dem Porsche Design Tower (87 Meter hoch) auf dem Pragsattel oder der Cloud No. 7 beim Milaneo (61 Meter) liegt, völlig unangebracht.
Bürgerinitiative ist überzeugt: „Fellbach ist nicht Manhattan“
Doch „Fellbach ist nicht Manhattan“, wie die Projektgegner aus der Bürgerinitiative gleichen Namens zu Recht erkannten – noch vor Baubeginn warnten sie vor der „Fellbacher Spargelspitze“ und dem „Koloss von Fellbach“.
Derartige Invektiven wären vermutlich längst eine Fußnote, wenn die Gesamtfertigstellung denn tatsächlich „im Herbst 2016“ erfolgt wäre, wie es der Investor beim Baubeginn gut zwei Jahre davor verkündet hatte.
Doch die Pleite des ersten Investors machte einen Strich durch die Rechnung. Die zwei folgenden Investorengruppen setzten zwar eine Änderung des Konzepts an – statt Luxus-Eigentumswohnungen sollen es 194 Mietwohnungen sein –, brachten jedoch das Projekt samt den durch die Nutzungsänderung nötigen Umbau kaum voran.
Bei den Verantwortungsträgern im Rathaus und im Lokalparlament ist eine gewisse Resignation erkennbar: Man kann dem Stillstand nur frustriert und hilflos zuschauen, ohne Einfluss nehmen zu können. Erst recht, seitdem der aktuelle Investor, die Adler Group, im Februar 2023 den Verkauf des Turms angekündigt hat, aber keinen Vollzug vermelden kann. Nachfragen unserer Redaktion werden von der Konzernzentrale regelmäßig, wie erst kürzlich durch einen Adler-Sprecher, so beantwortet: „Wir beabsichtigen weiterhin, das Projekt zu veräußern, und setzen unsere Suche nach potenziellen Aktionspartnern fort.“
Die Stadt wird den Tower nicht übernehmen
Eine Übernahme und Fertigstellung durch die Stadt hat die Oberbürgermeisterin Gabriele Zull allerdings kategorisch ausgeschlossen, wie sie beim Neujahrsempfang im Januar klarstellte. „Der derzeitige Eigentümer befindet sich weiterhin in Verkaufsverhandlungen. Ob und wie diese erfolgreich sind, liegt letztlich nicht in der Hand der Stadt“, sagte Gabriele Zull. Auch wenn sich mancher die Übernahme und Fertigstellung durch die Stadt wünsche, könne dies keine Alternative sein. „Die Millionenbeträge, die hierfür notwendig wären, investieren wir stattdessen in Kitas, Schulen, Sporthallen, Infrastruktur, Feuerwehr, Umweltschutz, soziale Projekte und bezahlbaren Wohnraum – mit der Betonung auf bezahlbar!“
Eine aktuelle Nachfrage bei der Fellbacher Stadtverwaltung ergibt lediglich, dass man zwar weiter regelmäßig in Konsultationen mit Adler sei, von dort aber keine Neuigkeiten zu erfahren seien.
Einen Schub hat das Thema nun durch die durch das Landgericht bestätigte Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft Stuttgart „gegen zwei Beschuldigte im Zusammenhang mit Vorgängen um den Gewa-Tower“ im Jahr 2016 erhalten. Der Vorwurf: vorsätzliche Insolvenzverschleppung und Marktmanipulation in jeweils zwei Fällen. Über die Zulassung der Anklage hat das Gericht allerdings noch nicht entschieden.
Ein Fellbacher Lokalpolitiker, der schon bei den Anfängern der Überlegungen zum Gewa-Tower und der weiteren Entwicklung des Schwabenlandtowers 107 dabei war und sich mit der Materie beruflich gut auskennt, ist der Architekt, Diplom-Ingenieur und SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Möhlmann. Zur aktuellen Entwicklung, wonach die Stuttgarter Staatsanwaltschaft sich mit den Vorgängen einer möglichen Insolvenzverschleppung 2016 befasst und Anklage erhoben hat, sagt er: Das Thema Insolvenzverschleppung sei schon lange virulent, aber bisher immer unbeantwortet geblieben. Und: „Gut, dass diese Sache endlich aufgegriffen wurde und ihr nachgegangen und ermittelt wird – wir hätten es uns natürlich zeitnaher erwünscht.“
Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Marktmanipulation
Als eine „Neuigkeit“ stuft Möhlmann den von der Staatsanwaltschaft kürzlich veröffentlichten Vorwurf der Marktmanipulation ein. „Das ist ein hochinteressanter Aspekt und setzt der Sache noch einen obendrauf.“ Dies müsse auch jenen zu denken geben, die „damals als politisch Verantwortliche das Projekt auf Biegen und Brechen durchgesetzt haben“. Sie müssten sich angesichts der aktuellen Ermittlungen eigentlich die Frage stellen: „Mit wem haben wir uns seinerzeit eingelassen?“ Aber „sie wollten es damals nicht sehen und haben die Bedenken in bester Kohl-Manier an sich abprallen lassen“, wählt der SPD-Mann Möhlmann einen Vergleich mit dem einstigen CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl.
Zur Zukunft des Schwabenlandtowers stellt sich Möhlmann hinter die Aussage der Fellbacher Oberbürgermeisterin: „Jedes Ansinnen, dieses private, verunglückte Bauprojekt mit öffentlichen Geldern zu retten, muss ausgeschlossen sein, das käme der Quadratur des Kreises nahe und würde die damaligen Fehler noch vervielfachen.“
Die Bestrebungen des derzeitigen Besitzers, der Adler-Group, den Turm wieder zu veräußern, beurteilt Architekt Möhlmann skeptisch: „Im Moment ist ein Verkauf schwierig angesichts der gesamtwirtschaftlichen Lage.“ Aktuell, so seine Einschätzung, „ist kaum jemand willig und würde sich trauen, den Schwabenlandtower fertig zu bauen“. Außer, so Möhlmann, „wenn es sehr günstig über den Tisch ginge – aber ich glaube nicht, dass Adler den Tower für einen Euro hergibt“, so der Stadtrat mit einiger Ironie.
Der hochfeste Beton trotzt dem Wetter auch weiterhin
Sein Fazit jedenfalls können derzeit vermutlich alle Beobachter aus der Fellbacher Lokalpolitik unterschreiben: „Es liegt nichts als Lösung auf der Hand.“ Eine jahrelange Verzögerung der Hochhaus-Fertigstellung hält der Fachmann allerdings auch nicht für ein ganz großes Drama: „Das ist hochfester Beton, und der Tower wird dem Wetter auch weiterhin trotzen.“