In diesen Zeiten müssen auch die Träger der Riesentraube in der Alten Kelter einen Mund-Nase-Schutz tragen. Foto: Edgar Layher

Trotz der Absage des Fellbacher Herbstes macht sich bereits am Freitag eine dreistellige Zahl von feierlustigen Fellbachern in die Stadt auf.

Fellbach - Eigentlich ist am zweiten Oktoberwochenende halb Fellbach auf den Beinen. Jung und Alt feiert dann den Fellbacher Herbst auf Straßen und Plätzen, beim Umzug, an zahllosen Weinständen, mit Musik und Karussells. Dieses Jahr war alles anders. Wer dabei sein wollte, musste zuhause bleiben und den Computer einschalten. Dann konnte er per Livestream an der feierlichen Eröffnung teilnehmen, die Riesentraube bestaunen und sehen, wie die Jugend mit Trauben und Wein zu den 100 ältesten Bürgern der Stadt geschickt wurde.

Digital dabei sein, das war auch beim Fellbacher Herbst angesagt

Und er konnte – bestenfalls im Freundes- oder Familienkreis – an der Online-Weinprobe teilnehmen, die nicht nur die besten Tropfen der Fellbacher Weingärtnergenossenschaft vorstellte, sondern alle örtlichen Weingüter an einen Tisch brachte. Digital dabei sein, das war wegen steigender Corona-Zahlen auch beim Fellbacher Herbst angesagt, der dieses Mal als „Fellbach im Herbst“ betitelt wurde. Allerdings wollten längst nicht alle Fellbacher „ihren Herbst“ nur in virtueller Form feiern. Schon am Freitagabend hatten sich diverse Gruppen verabredet, insgesamt tauchten 100 Personen mit Weinflasche und Trinkglas an den sonst so beliebten Treffpunkten auf. „Es war nicht die Jugend, sondern es waren überwiegend Menschen zwischen 30 und 50 Jahren“, sagte Peter Bigalk, Leiter des Ordnungsamts im Rathaus. Seinen Mitarbeitern gelang es offenbar, an die in der Corona-Krise nötige Vernunft zu appellieren.

Vor dem Bacchusbrunnen stimmte die Stadtkapelle unter anderem Erntedanklieder an

Die Ansammlungen zerstreuten sich, ohne dass die Polizei eingreifen hätte müssen. Wie sich die Lage an der illegalen Feierfront am als Abschlussabend bekannten Montag entwickelt, hängt auch von der Witterung ab. „Hoffentlich hilft ein schöner Regen“, heißt es beim kommunalen Ordnungsdienst.

Mit Platzkonzerten und Kurzauftritten vor Seniorenheimen unterhielten am Samstag unter anderem der SingOut-Chor und der Posaunenchor des CVJM, im Stadtteil Schmiden gaben Concordia und Lyra eine Kostprobe, auch der Posaunenchor Schmiden-Oeffingen war auf Tour. Vor dem Bacchusbrunnen stimmte die Stadtkapelle unter anderem Erntedanklieder an. Um diese Zeit wurden in der neuen Kelter noch die letzten Einkäufe getätigt. „Bei uns gibt es ein Zwiebelkuchenfest“, sagten Birgit und Wolfgang Pfanz. Der Freundeskreis von Dimitri Schmidt traf sich an der Kelter, um von dort eine Wanderung Richtung Kernenturm zu unternehmen.

Etwas gedämpft aber doch festlich war die Stimmung in der Alten Kelter

Wolfgang „Wolli“ Schmuck inszenierte derweil seinen eigenen Fellbacher-Herbst-Umzug. Das Fellbacher Urgestein und legendärer Glühwein-Ausschenker auf dem Weihnachtsmarkt hatte seinen „Festwagen“ selbst kreiert: Ein überdimensionaler Mundnasenschutz, der die darunter hängende Weltkugel schützt, darüber ein Weinkorken, der das Coronavirus – bestehend aus zwei Sieben und vielen Sektgläsern – abwehrt. Etwas gedämpft aber doch festlich war die Stimmung in der Alten Kelter. Dort trafen sich geladene Gäste, darunter der Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer (CDU) und Ulrich Goll (FDP) aus dem Landtag, Alt-OB Friedrich Wilhelm Kiel und seine Frau sowie die Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats wollten sich den Ersatz-Festakt ebenfalls nicht nehmen lassen. „Besonders begrüße ich die große Schar an Mitfeiernden, die an unzähligen Bildschirmen zugeschaltet sind“, sagte die Fellbacher Oberbürgermeisterin Gabriele Zull. So viele Bildschirme waren es denn doch nicht: Am Samstag hatte der Livestream nur eine dreistellige Zuschauerzahl angelockt, am Sonntagabend waren die Abrufe wenigstens auf fast 1350 gestiegen.

Auch in diesem Jahr hätten die Menschen Grund zu Dankbarkeit

Auch in der Alten Kelter selbst blieben reichlich Plätze frei. 80 Eintrittskarten waren beim i-Punkt für die Bürger bereit gehalten worden. Abgeholt wurden zwar alle, aber nur gut die Hälfte der Personen nahm – wohl aus Sorge vor den stark ansteigenden Infektionszahlen – dann auch an der Veranstaltung teil. Die Oberbürgermeisterin erinnerte in ihrer Herbstrede an den ersten Fellbacher Herbst im Jahr 1948, als die junge Generation ein Zeichen des Aufbruchs und des Vertrauens in die Zukunft setzte. „Von der positiven Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte haben wir alle profitiert“, so die Rathaus-chefin. Ein „kleines Virus“ werde dies alles nicht in Frage stellen, so Zull. Zwar spüre man gerade an solchen Tagen, dass aktuell alles anders sei, aber mit Solidarität und der Besinnung auf wesentliche Werte werde man diese Herausforderung meistern.

Grün symbolisiert schließlich Hoffnung

Auch in diesem Jahr hätten die Menschen Grund zu Dankbarkeit, etwa für die gute Ernte und den Zusammenhalt. Selbst der Tanz unter der Riesentraube fand Platz in der Veranstaltung, auch das Fellbach-Lied wurde – gesungen vom Kammerchor Opus 7 – eingespielt. Mitsingen war in der Alten Kelter wegen der Corona-Regeln allerdings verboten. Gabriele Zull und Thomas Seibold von den Fellbacher Weingärtnern hoben die Pokale mit dem neuen Wein und rezitierten den traditionellen Trinkspruch. Das geistliche Wort hielt in diesem Jahr der Pastoralreferent Martin Wunram von der Katholischen Kirchengemeinde und Frauen aus Fellbachs Partnerstädten sprachen in ihren Muttersprachen die Fürbitten.Gabriele Zull hatte ihr weinrotes Samtkleid, das sie sonst zur Eröffnung des Fellbacher Herbsts trägt, übrigens im Schrank gelassen und zum „kleinen Grünen“ gegriffen. Grün symbolisiert schließlich Hoffnung. Und auf ein „normales“ Herbstfest im nächsten Jahr hoffen die Menschen in der Stadt am Kappelberg – zumal 2021 auch noch das 900-Jahr-Jubiläum von Fellbach auf dem Programm steht.