Sie haben Spaß mit ihrem Buch: Niklas (links) und Johannes Kizler. Foto: Patricia Sigerist

Johannes und Niklas Kizler haben das kontrovers diskutierte Kinderbuch in eine neue, kommentierte Form gebracht. Jetzt haben die beiden dafür überraschend einen Verlag gefunden.

Fellbach - Der Struwwelpeter reckt dem Betrachter die erhobenen Mittelfinger entgegen – auf dem Titelbild eines neuen Buches namens „Die Abrechnung“. Mitte des Monats kommt es in den Handel. Ohne erhobenen Zeigefinger wollten indes die beiden Autoren agieren, die hinter dem Werk stehen. Sie haben einen spannenden Weg hinter sich, um ihre Idee zu verwirklichen: In einem kommentierten „Struwwelpeter“ wollten Johannes und Niklas Kizler darstellen, warum sich die Kinder in dem originalen Buch von Heinrich Hoffmann so verhalten, wie es dargestellt wird. Dessen Texte und die Zeichnungen sind auch in den Neuauflagen gegenüber 1844 unverändert. Kaum ein Kinderbuch wurde schon immer so kontrovers diskutiert.

Warum sind die Kinder im „Struwwelpeter“ eigentlich böse?

Unsere Zeitung hatte die Fellbacher Brüder Kizler im November vorgestellt. Da waren die beiden, die es beruflich nach Berlin verschlagen hat, auf Sponsorensuche. Auf einer Internetplattform stellten sie ihre Überlegungen vor. „Wir gehen der Frage nach, warum die Kinder im Buch böse sind und schlechtes Benehmen haben“, sagte Johannes Kizler im November über den zwar humorig umgesetzten, aber ernsten Ansatz, und berichtete von der Schwierigkeit, einen Verlag für eine Veröffentlichung zu finden. Sollten 6500 Euro zusammenkommen, würden sie selbst zum Verleger, lautete das Ziel.

Ab einer gewissen Spendenhöhe wurde nicht nur ein Gratisexemplar zugesagt, sondern auch eine namentliche Erwähnung im Buch. Ein reines E-Book, das kostengünstig an den Start gebracht werden kann, war keine Alternative: „Gerade bei so einem Werk ist es wichtig, was in der Hand zu haben“, erklärt Niklas Kizler. „Der Artikel in der Zeitung gab einen immensen Schub“, sagt er nun. Sogar der Südwestrundfunk wurde aufmerksam und bat die Brüder zum Interview.

Der Kampenwand Verlag aus Bayern nahm sich der Sache an

Einen Tag nach dem Zeitungsartikel war nicht nur die erste Finanzetappe erreicht, selbst das zweite Fundingziel von 9000 Euro wurde überschritten. „Wir haben viele Belegbücher nach Fellbach und Umgebung verschickt“, sagt Johannes Kizler begeistert und ist dankbar zugleich. Die höhere Summe ermöglichte es, „Die Abrechnung“ hochwertiger als zunächst vorgesehen drucken zu lassen. Besseres Papier, stabil gebunden, der Titel bekam eine fühlbare Prägung. Die erste Auflage ist praktisch vergriffen.

Als wäre das flotte Anwachsen des Spendentopfs nicht Überraschung genug, passierte in Folge der Zeitungsveröffentlichung auch das, was die Gebrüder Kizler, wie sie sich als Autorengespann nennen, nicht mehr für möglich gehalten hatten: Ein Verlag meldete Interesse an. „Er war begeistert von unserer Kampagne“, berichtet Johannes Kizler. Der Kampenwand Verlag aus dem bayerischen Vachendorf nahm sich der Sache an. „Die Abrechnung – Das Kinderbuch für Erwachsene“ erscheint nun am 17. Januar und wird professionell vermarktet. Vorbestellungen sind im Buchhandel möglich, auch bei Amazon ist es bereits gelistet.

Die beiden arbeiten als Regisseure und Produzenten in Berlin

Was gibt es für 14,85 Euro? „Abgeschnittene Daumen, brennende Mädchen und Kinder, die böse sind. Aber warum haben Paulinchen, Hans und Peter solch schlechte Manieren? Geschrieben in Reimen und fantastisch illustriert von Christina Mäckelburg gehen die Autoren mal mit Humor, mal ganz im Ernst dieser Frage auf den Grund“, heißt es in der Beschreibung der 86 Seiten. „Den neuen Geschichten sind die Originaltexte Heinrich Hoffmanns vorangestellt, da sie in Kombination ihre volle Wirkung entfalten.“

„Die Abrechnung“ mit dem Struwwelpeter ist die erste gemeinsame literarische Arbeit der Brüder Kizler. „Es war ein Riesenspaß, das Buch auf unsere Weise mal umzudrehen“, sagt Johannes Kizler. Die originalen Geschichten fanden sie grausam – abgeschnittene Daumen bei Konrad und das verbrannte Paulinchen, das hatte den beiden in der Kindheit selbst Angst gemacht. „Gemacht zum Lachen, Weinen, Debattieren, ebenso zum Deklamieren, auf dass ihr euch dran reibt, im Hals das Lachen stecken bleibt“ heißt es im Vorwort – das natürlich ebenso gereimt ist wie alle zeitgenössischen Einordnungen der Struwwelpeter-Geschichten.

Johannes und Niklas Kizler arbeiten als Regisseure und Produzenten in Berlin. Als nächstes gemeinsames Projekt könnten sie sich ein Drehbuch vorstellen, sagen sie. Mit dem Struwwelpeter haben sie Frieden geschlossen – und distanzieren sich von den strengen Benimmregeln im Hoffmann’schen Bilderbuch. „Schenkt ihr mir solch ein Regelwerk“, heißt es im Epilog, „lass ich die Haar, die Nägel lang, und zünd mir jetz’n Kippchen an.“