Bis zu 500 Hunde kommen jedes Jahr ins Tierheim nach Botnang. Foto: dpa

Die Stadt Fellbach zahlt jährlich 16 000 Euro, damit Fundtiere in der Stuttgarter Einrichtung gut versorgt werden.

Fellbach/Stuttgart - Allisa kann noch so vertrauensvoll mit ihren bernsteinfarbenen Augen blinzeln, es gibt einfach keine Menschen, die ihr ein neues Zuhause geben wollen. Die verschmuste Samtpfote mit dem flauschig-weichen Fell ist eine der wenigen Langzeitbewohner im Tierheim Stuttgart. Seit mehr als zehn Jahren wartet die Katzendame darauf, dass ihr das Glück winkt und sich jemand trotz ihres Handicaps ein Herz fasst. Denn Allisa ist inkontinent, und das stellt jeden Katzenfreund vor eine heftige Herausforderung.

Aber glücklicherweise sind es nur wenige Tiere, die der Einrichtung in Botnang erhalten bleiben: „Wir haben einen Vermittlungserfolg von 95 Prozent“, sagt Marion Wünn, die Leiterin. Bei 2500 bis 3000 Tieren, die dort jährlich landen, ist das ein beachtlicher Erfolg. Wobei nicht nur Tiere aus Stuttgart und Umgebung dort abgegeben werden, sondern auch aus Fellbach. Die Stadt hat schon seit 1986 einen Vertrag mit den Stuttgarter Tierschützern der garantiert, dass sowohl hier gefundene als auch beschlagnahmte Tiere dort versorgt werden.

Wie viele Tiere aus Fellbach kommen, kann Tierheim-Leiterin Marion Wünn nicht sagen

Wie viele und was für Tiere aus Fellbach kommen, kann Marion Wünn nicht sagen. „Diese Liste zu führen, wäre viel zu aufwendig.“ Auch in Fellbach gibt es darüber keine Statistik. Dort ist man froh, dass die Tiere in guten Händen sind. Sicher ist jedenfalls, dass 16 000 Euro für diese Versorgung jährlich bezahlt werden. Ein regelrechter Schnäppchenpreis. Denn wie auch die Summe, die die Stadt Stuttgart für die Aufnahme von Tieren zahlt, reicht dieser kommunale Zuschuss hinten und vorne nicht: „Wir brauchen 1,6 Millionen Euro im Jahr“, sagt die Tierheimleiterin. Für etwa 20 Tonnen Futter, für Tierärzte, Behandlungen, Hundetrainer und diverse weitere Ausgaben inklusive Personal.

Der kommunale Zuschuss deckt gerade mal ein Drittel der Kosten. Ein weiterer Teil kommt in Kleinbeträgen durch Mitglieder, Patenschaften, Spendenaktionen und Veranstaltungen herein. Doch das Wichtigste für den Bestand sind Legate: „Ohne Erbschaften gäbe es kein Tierheim“, sagt Marion Wünn. Doch die gibt es natürlich nicht regelmäßig und zuverlässig. Diese dauernde finanzielle Unsicherheit kostet Nerven: „Wir leben von der Hand in den Mund“, sagt Marion Wünn – und hat eine Wunschvorstellung: „Wenn jeder Bürger jeden Tag 1 Euro zahlen würde, hätten wir keine Sorgen mehr.“ Deshalb war die Hundegutsle-Verkaufsaktion auf dem Fellbacher Weihnachtsmarkt für das Tierheim zwar ein schöner Erfolg – 263,50 Euro sind zusammengekommen – aber eben nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Die Spenden tröpfeln eher, die Fundtiere kommen dagegen flutartig im Tierheim an

Denn während die Spenden eher tröpfeln, kommen Fundtiere eher flutartig an: „Wir bekommen 400 bis 500 Hunde im Jahr, 300 bis 400 Katzen und 1500 bis 2000 Kleintiere.“ Die Kleintiere werden oft entsorgt: in Mülleimern, Kartons, Containern, in Feld und Wald. „Der Wert der Tiere wird nicht respektiert“, sagt die Tierheimleiterin. Sie bedauert auch die jungen Hunde, die von unverständigen Menschen aus dem Ausland eingeschleppt werden, ohne dass sie bei einem Tierarzt waren. „Die Welpen müssen mehrere Monate alleine in Quarantäne leben, dann ist ihre Jugend vorbei und sie sind traumatisiert.“ Und das nur, weil die Besitzer vorher nicht nachgedacht haben. „Man kann sich doch vorher schlaumachen“, fordert Marion Wünn.

Eher aus eigenem Verschulden zum Dauerbewohner geworden ist dagegen Tipsy. Der Jagdterrier-Mix kann einfach seine Schnauze nicht halten: Sobald dem Mischling etwas gegen den Strich geht, kommt ein kurzes Knurren und dann – schnapp! Es ist zwar mehr ein Zwicken, aber es reicht, um Interessenten abzuschrecken. Besonders schlimm für Marion Wünn ist, wenn es Tiere, die ihr Leben lang gequält wurden und die endlich im Tierheim landen, trotz intensiver Pflege nicht schaffen. Sie hätte ihnen so gerne noch ein paar schöne Jahre gegönnt.

Aber es gibt glücklicherweise auch schöne Momente im Leben einer Tierheimleiterin. Marion Wünn, die dieser Berufung seit 16 Jahren nachgeht – „es steckt in einem oder nicht“ – wird immer warm ums Herz, wenn Tiere, die länger im Heim waren, vermittelt werden. So konnte jetzt vor Weihnachten der chronisch kranke Rüde Alfons tatsächlich in ein neues Zuhause ziehen. „Solche Momente finde ich klasse“, sagt Marion Wünn, die selbst eine Hündin hat, drei Katzen mit Handicaps und immer wieder Pflegefälle bei sich aufnimmt.

Auch Tiere mit einem kleinen Handicap hoffen darauf, vermittelt zu werden

Marion Wünn freut sich über die vielen Zuwendungen auch vor Weihnachten. „Ein Metzger hatte Würste bei uns abgegeben und es sind viele Sachspenden gekommen.“ Und sie freut sich auch über die liebevollen Berichte der neuen Besitzer, wenn sich die Vier- und Zweibeiner eingelebt haben. Viele Bilder auf der Homepage belegen die erfolgreichen Vermittlungen. Dort sind aber auch die zu finden, die dringend ein neues Zuhause suchen. Zum Beispiel Allisa. Sie hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben und blinzelt weiter vertrauensvoll mit ihren bernsteinfarbenen Augen. Vielleicht gibt es ja doch noch irgendwo eine liebevolle Seele.