Quo vadis, Fellbach? Aufwärts wie hier bei den immer noch nicht begrünten Ablufttürmen (links daneben der unvollendete Tower) geht es vorläufig jedenfalls nicht. Foto: Dirk Herrmann

Wie die Verwaltungsspitze sehen auch die Fraktionsredner keine Alternative zur Verschiebung von Großprojekten wie Feuerwehrhaus, Neue Mitte oder Sporthalle. Dass die Gewerbesteuer tatsächlich um 20 Prozent steigt, scheint derzeit indes offen.

In Etatdebatten sind die Rituale oft ähnlich, egal ob die Sprecher im Berliner Reichstag, dem Stuttgarter Landtag oder in einem Lokalparlament wie Fellbach ihre Sicht vortragen. Es geht ums große Ganze, gelegentlich wird der Vortrag mit pfiffigen Sprüchen und passenden Bonmots aus der Zitatenfibel aufgepäppelt.

 

Fellbachs Oberbürgermeisterin Gabriele Zull und der für die Finanzen zuständige Erste Bürgermeister Johannes Berner haben bereits drei Wochen zuvor bei der Haushaltseinbringung eine Grundlage gelegt. So schockte Berner nach eigener Einschätzung das Auditorium durch diverse an die Wand geworfene „Folien des Schreckens“.

Den „Folien des Schreckens“ folgt ein „Haushalt des Grauens“

Der Grünen-Sprecher Karl Würz wollte nun offenbar nicht nachstehen, konstatierte angesichts der Sparzwänge einen „Haushalt des Grauens“, gab sich griechisch bewandert und griff in seinem Statement Zulls „Bild von Sisyphus“ auf. Doch während der es „leider bis heute nicht geschafft hat, den Stein nach oben zu bringen“, orientiere er sich, so Würz, lieber an Herkules, denn „der bewältigte seine von den Göttern gestellten Aufgaben“.

Doch weniger die griechischen Götter, vielmehr die Politiker von Land und Bund sind es, die nach Einschätzung der CDU-Stadträtin Anja Off „seit Jahren der kommunalen Ebene wie einem Packesel Aufgabenpakete aufbürden, auskömmliche finanzielle Mittel jedoch – wie die Karotte vor des Esels Nase – unerreicht lassen“.

SPD: „Aus Atemnot darf kein Stillstand werden“

Bei allem finanziellen Zwang, in den nächsten Jahren „die Luft anzuhalten“ und auch „den Gürtel enger zu schnallen“, dürfe man „das Schnaufen nicht vergessen“, steuerte SPD-Fraktionschef Andreas Möhlmann das nächste geflügelte Wörter bei: „Aus der Atemnot darf kein Stillstand werden.“ Für die Freien Wähler/Freien Demokraten konstatierte deren Fraktionschef Martin Oettinger: „Das Fass ist lange vollgelaufen, und es scheint jetzt überzulaufen.“

Fellbach hat „sieben magere Jahre“ vor sich

Hier ungefähr könnte eines Tages das neue Fellbacher Feuerwehrhaus entstehen. Foto: Dirk Herrmann

Allgemeiner Konsens scheint zu sein, dass die drei stets genannten Großprojekte, das neue Feuerwehrhaus im Fellbacher Osten (an die 30 Millionen Euro), die von Off als „Großsporthalle“ bezeichnete, knapp 17 Millionen Euro teure Trainingshalle und der Mobility-Hub im Zuge der Neuen Mitte an der Stadtbahn-Endhaltestelle Lutherkirche zumindest vorläufig nicht finanzierbar sind.

„Sie bleiben in den nächsten paar Jahren ein Traum“, konstatierte Würz: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir die viel zitierten sieben mageren Jahre vor uns haben.“ „Unsere großen Projekte“, so Oettingers Überzeugung, „rücken aktuell weit in den Hintergrund.“ Wobei allerdings der Neubau der Feuerwehr in Alt-Fellbach für die SPD zu jenen Maßnahmen gehört, „die wir als eine der nächsten umsetzen wollen“.

Spannend wird sein, ob die von der Verwaltung vorgesehene Erhöhung der Gewerbesteuer um 20 Punkte auf 415 Prozent durchgeht. CDU, SPD und Stadtmacher meldeten Zweifel an und plädierten für eine Steigerung um 10 Punkte, oder zumindest für eine zweijährige Staffelung der Erhöhung. Jörg Schiller (Stadtmacher): „Für uns ist es das falsche Signal, dass jetzt die Gewerbetreibenden fast ganz alleine die zusätzlichen Steuererhöhungen schultern sollen. Deshalb schlagen wir vor, zusätzlich die Grundstücksbesitzer mit in die Pflicht zu nehmen; so wird die Belastung solidarisch auf deutlich mehr Schultern verteilt.“

FW/FD hingegen tragen den Verwaltungsvorschlag der 20-Punkte-Erhöhung mit. Und dies, obgleich „zwei Herzen in unserer Brust schlagen“. Fühle sich die Fraktion doch „wie kaum eine andere unseren Gewerbetreibenden verbunden“, doch gehe es eben auch um die „kommunalpolitische Verantwortung“, erklärte Oettinger. Alle Redner würzten ihre Beiträge noch mit zahlreichen detaillierten Ausführungen, Anregungen und Mahnungen. Die CDU plädierte für Entbürokratisierung und nannte als jüngstes Beispiel eine „Förderrichtlinie für Vorgärten in Oeffingen, die sich an derzeit maximal 20 Personen richtet“ (Off).

Unmut über „die zunehmende Zahl an tiefen Schlaglöchern“

Vorlegen sollte die Verwaltung überdies versprochene Berichte zur Digitalisierung und zur strategischen Personalplanung. Die laut Verwaltung angeblich „unaufschiebbare Neuschaffung“ der Stelle eines Bauingenieurs im Amt für Hochbau und Gebäudemanagement sei rückgängig zu machen. Andererseits sei eine Personalstelle zum Bevölkerungsschutz immer noch unbesetzt. Und: „Mit Sorge betrachten wir die zunehmende Zahl an tiefen Schlaglöchern.“

Oettinger fordert: „Der Kommunale Ordnungsdienst muss leistungsstark aufgestellt sein – vielleicht etwas weniger zum Ausstellen von Knöllchen, dafür mehr in der Präsenz.“ Auch die SPD fordert beim Kommunalen Ordnungsdienst mehr Engagement, hier sollten zwei statt wie vorgesehen nur eine Stelle neu geschaffen werden. Die Kürzung der Gleichstellungsstelle auf weniger als die Hälfte sei „zu massiv“, so Möhlmann.

Auch die Grünen fordern, dass diese Stelle „in vollem Umfang erhalten bleibt“. Würz wünscht den „Aufbau eines umfassenden Hitzeschutzplans“ und kritisiert: „In der Anne-Frank-Schule sind einige Klassenzimmer im Sommer so heiß, dass kein sinnvoller Unterricht mehr erteilt werden kann.“

Tiny Forest: Neuer Miniwald hinter der Schwabenlandhalle?

Die Stadtmacher setzen, „weil wir lieber Macher als Bruddler sind“, auf mehr Geld für den Klimaschutz, finden aber doch etwas zum Schimpfen: „Es gibt keine Begrünung der Abluftkamine an der alten B 14, und von den sechs vorgestellten Fassadenbegrünungen in Oeffingen sind nur zwei realisiert.“ Und im Park hinter der Schwabenlandhalle solle, so Schiller, der Teich durch einen Tiny Forest, also einen Miniwald, ersetzt werden.