Sexualität soll in der Jugendarbeit künftig adäquater aufgegriffen werden. Foto: dpa-Zentralbild

Fachleute sprechen bei der Veranstaltung „Sexy Jugendarbeit“ im Fellbacher Rathaus über den richtigen pädagogischen Umgang mit dem Thema Sexualität.

Fellbach - Wer seine Periode zu jung oder später als alle anderen bekommt, fällt auf. Wer zu viel Sex hat, wird beschimpft. Wer zu lange mit dem ersten Geschlechtsverkehr wartet, macht auch was falsch und wird schnell als Mauerblümchen abgestempelt. „Im Mittelfeld lebt es sich einfach am besten für Mädchen“, sagte Yvonne Wolz. Die systemische Therapeutin, die im Stuttgarter Mädchengesundheitsladen arbeitet, war am Mittwoch zu Gast im Rathaus.

Der Fachtag „Sexy Jugendarbeit“ im Fellbacher Rathaus ist gut besucht

Dort veranstalteten das Kreishaus der Jugendarbeit und die Stadtjugendreferate Fellbach, Waiblingen, Weinstadt und Winnenden den dritten kreisweit organisierten Fachtag, der den Titel „Sexy Jugendarbeit“ trug. „Wenn man sich umschaut, sieht man volle Reihen, das Thema scheint unter den Nägeln zu brennen“, sagte Kurt Meyer von der Stadt Weinstadt, der die Gäste mit Susanna Steinbach vom Kreisjugendring begrüßte. Er wolle Lust auf ein Thema machen, das derzeit zu wenig präsent in der Pädagogik sei. Diese Aufgabe stand über dem Fachtag.

„Die Jugendlichen sind fest davon überzeugt, dass Leute ab 30 Jahren gar keinen Sex mehr haben“, sagt Yvonne Wolz

So war das Ziel, das Thema Sexualität von und unter Jugendlichen trotz gesellschaftlicher Tabus und zunehmender Negativbesetzung aus der „Schmuddelecke“ herauszuholen. Ausgehend von dem Eingangsvortrag von Yvonne Wolz, der den Schwerpunkt des Tages darstellte, wurde in Workshops diskutiert, mit welchen Möglichkeiten Pädagogen eine positive sexuelle Identitätsbildung unterstützen können. „Wir müssen den Jugendlichen die lustvolle Seite der Sexualität nahe bringen. Dazu gehört, Raum für Gespräche zu schaffen und die Intimsphäre zu wahren“, sagte Yvonne Wolz. Zudem sei es wichtig, glaubwürdig aufzutreten. Wer schon 50 Jahre alt sei, komme bei den Jugendlichen auch dann nicht authentisch an, wenn er deren Wortwahl benutze. Den Grund liefert sie gleich hinterher: „Die Jugendlichen sind fest davon überzeugt, dass Leute ab 30 Jahren gar keinen Sex mehr haben.“

Die Therapeutin gibt Einblicke in ihren Berufsalltag im Mädchengesundheitsladen

Yvonne Wolz gab auch Einblicke in ihren Berufsalltag. Im Mädchengesundheitsladen können Jugendliche Fragen stellen und Unterstützung bekommen. „Wir sind ein bisschen wie das Doktor-Sommer-Team.“ Yvonne Wolz unterscheidet zwischen Wissens-, Verhaltens- und Orientierungsfragen. So würden Mädchen sich mit den körperlichen Veränderungen der Pubertät, ungewollter Schwangerschaft und Verhütung beschäftigen. „Beim Thema Sex geht es ihnen primär darum, alles richtig zu machen. Ihre eigene Lust stellen junge Frauen hinten an.“

Ihre Aufgabe sieht Yvonne Wolz auch darin, für Gender-Fragen da zu sein

Ihre Aufgabe sieht Yvonne Wolz auch darin, für Gender-Fragen da zu sein und um mit falschen Mythen aufzuräumen. Ein Vorurteil klärt sie gleich beim Fachtag auf: „Es heißt, Jugendliche hätten immer früher Sex. Die Studie, die ich hier zeige sagt, dass nur sieben Prozent der 14-jährigen Mädchen und nur vier Prozent der Jungs im gleichen Alter schon Geschlechtsverkehr haben. Das ist viel besser als ihr Ruf, was auch für die Nutzung von Kondomen gilt.“