Tilman Heiland und OB Palm (li) wollen den Wert von Musik einer breiten Basis verdeutlichen. Foto: sas

Oberbürgermeister Christoph Palm und Chorleiter Tilman Heiland setzen sich für die Amateurmusik ein. Besonders die Blasmusik hat Zulauf.

Fellbach – Chöre, Musikvereine und Laienorchester sehen Schwarz für ihre Nachwuchsarbeit, wenn im Land flächendeckend Ganztagsschulen eingerichtet werden. Schließlich ist es es dann fraglich, ob die Schüler noch Zeit für ein musikalisches Hobby finden. Zwei Akteure, die sich intensiv für die Integration der Musik in den Schulalltag einsetzen, saßen dieser Tage am Redaktionstisch.

Der eine, Oberbürgermeister Christoph Palm, ist seit einem Jahr Präsident des Landesmusikverbands (LMV), einem Dachverband von zehn Fachverbänden der Sänger, Blasmusiker, Zieh-, Zupf- und Zithermusiker, Orchester und Hackbrettspieler. Der andere, Tilman Heiland, sitzt als Vorsitzender der Landesmusikjugend mit im Präsidium des LMV. In Fellbach ist er besser bekannt als musikalischer Leiter des Philharmonischen Chors. „Es ist schon eine außergewöhnliche Situation, dass beide aus einer Stadt kommen“, sagt Palm; und das liegt ganz sicher nicht daran, dass beide Cello spielen. Heiland ist Vorsitzender des Landesverbands der deutschen Schulmusiker und in weiteren Gremien tätig – ein gut vernetzter Musikpädagoge, dem die Aufgabe angetragen wurde, die Landesmusikjugend aufzubauen. Sie wurde 2009 ins Leben gerufen als Jugendorganisation des LMV.

Der Wert der Musik müsse verdeutlicht werden, so Palm

Eine der Hauptaufgaben des LMV sieht Palm darin, in die Gesellschaft hineinzuwirken, um den Wert der Musik deutlich zu machen: „Im Baltikum kann ein Kind nach der Grundschule 300 bis 400 Lieder singen, bei uns kann man schon froh sein, wenn es ein hundertstel davon ist.“ Mit der Programmdirektorin des SWR etwa hat Palm diskutiert, wie man den Anteil der Amateurmusik in Rundfunk und Fernsehen erhöhen kann, Amateurmusik müsse ja nicht mit Volksmusik gleichgesetzt werden. „Wir sind mit einem guten Ergebnis auseinandergegangen“, sagt Palm.

Und es geht dem LMV-Präsidenten auch darum, Sprachrohr zu sein in Richtung Politik. Zurzeit sind Palm und Heiland an mehreren aktuellen Themen dran. Da geht es beispielsweise darum, wie Musik im Unterricht zukünftig positioniert ist. „Wir haben uns immer stark gemacht dafür, dass Musik wieder ein eigenständiges Fach wird in der Grundschule und nicht im Fächerverbund untergeht – da sieht es gut aus“, sagt Heiland.

Wie kann man Musikvereine einbauen in ein Ganztagsmodell?

Dann geht es um die Ganztagsbetreuung, bei der man auch mit dem Landesverband der Musikschulen im Gespräch ist. Wie kann man Musikvereine einbauen in ein Ganztagsmodell, bei dem am Ende des Tages für alle ein Mehrwert entsteht? Das reine Klassenmusizieren ist nicht dasselbe wie ein individuelles Instrument zu lernen und zu üben. Das ist zurzeit die größte Baustelle, bestätigt Heiland. Wichtiges Argument für die Ganztagsschule ist auch, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben, auch die aus weniger begüterten Haushalten. Aber nicht wenige Eltern wünschen auch das individuelle Angebote der Vereine und Musikschulen, „und sind auch bereit, das zu bezahlen“, sagt Heiland. Man müsse eine Möglichkeit finden, dass Kinder zum Verein oder in die Musikschule gehen und das trotzdem zur Ganztagsbetreuung gehört.

Schulleiter bekommen zusätzliche Mittel für solcher Angebote, müssen sie aber nicht für zusätzliches Personal ausgeben, meint Palm, sondern können auch Vereine einbinden. Das sei zwar organisatorisch aufwendiger, „aber es lohnt sich“. Vieles ist auch schon angelegt, berichtet Heiland, es gebe schon Kooperationen, auch Dauerkooperationen zwischen Schulen und Vereinen. In Fellbach etwa 90, sagt Palm. „Es geht darum, dass man das ausbaut“. Und dass es verankert wird, wenn es um die Ausführungsbestimmungen geht.

Als weitere Aufgabe steht dem LMV bevor, die Landeszuschüsse an die Amateurmusik von etwa 5 Millionen Euro zu verteilen. Momentan sind die Regierungspräsidien Ansprechpartner für die Fachverbände, das soll künftig der LMV übernehmen, sagt Palm, „zurzeit sind wir dabei, Richtlinien zu formulieren“. Und man hat, wenn es ums Geld geht, natürlich immer auch Wünsche. Ideal wäre, meint der LMV-Präsident, „wenn wir wie der Sport behandelt würden“. Der Solidarpakt Sport mit mehrjähriger Dauer einschließlich Inflationsausgleich schaffe Planungssicherheit. Das hätte man bei der Musik auch gerne.

„Blasmusik hat Zulauf, auch von jungen Leuten“, sagt Heiland

Die knapp 5 Millionen Euro sind im Vergleich zum Sport zwar ein Nasenwasser. Aber die Zielgruppe ist durchaus beachtlich: eine wachsende Zahl von Laienmusikern und eine stabile Zahl von singenden Menschen, zusammen knapp eine Million. Einschließlich der Kirchenmusik und der Musikschulen schätzt Heiland die Zahl sogar auf 3,5 bis 4 Millionen in Baden-Württemberg. „Das ist ein Drittel der Bevölkerung“, sagt Heiland stolz. Auf die Frage, welcher Bereich wächst, gibt es eine klare Antwort: Blasmusik hat richtig Zulauf, auch von jungen Leuten.

Eine weitere Aufgabe des LMV sieht Palm in Service und Dienstleistungen für die Mitglieder. Seit seiner Wahl zum Präsidenten hat er alle Fachverbände besucht und starken Bedarf an übergeordneten Fortbildungen festgestellt mit Themen, die alle betreffen, etwa im Vereinsrecht, im Steuerrecht oder bei der Sepa-Umstellung. Im Jugendbereich stellt Heiland etwa bei der Jugendleiterausbildung ähnliches fest. Ein wichtiges Projekt sieht er in der Ausbildung von jugendlichen Musikmentoren und Musiklotsen.

Der LMV tritt nach außen nur mit einer eigenen Veranstaltung hervor: dem Landes-Musik-Festival. Es findet in diesem Jahr am 5. Juli im Rahmen der Landesgartenschau in Schwäbisch-Gmünd statt.