Jörg Hartmann begeistert mit seiner Vortragskunst Foto: Gottfried Wolf

Jörg Hartmann begeistert auf Einladung der Kulturgemeinschaft Fellbach im ausverkauften Uhlandsaal.

Auf Einladung der Kulturgemeinschaft machte der Schauspieler Jörg Hartmann am vergangenen Freitag in Fellbach Station, um sein Buch „Der Lärm des Lebens“ vorzustellen. Nur eingangs ging es im Gespräch mit Christa Linsenmaier-Wolf im vollbesetzten Uhlandsaal der Schwabenlandhalle um seine Rolle als Tatort-Kommissar Faber, mit der er einem größeren Publikum bekannt geworden ist. Auf die Frage der Moderatorin, ob er sich mit dem ruppigen Charakter des Dortmunder Kommissars identifizieren könne, antwortete Hartmann, dass er alle Figuren möge, die er spiele, selbst den von ihm verkörperten Stasi-Offizier in der ARD-Serie Weissensee. Er wolle kein flaches Abziehbild der Dargestellten liefern; auch der Stasimann kämpfe um seine Überzeugungen.

 

Seinem Einfluss als Co-Autor des Tatort-Drehbuchs ist die Gestalt des demenziell erkrankten Vaters des Kommissars in einer der letzten Folgen zu verdanken. Diese Figur ist „eindeutig biografisch bedingt“. Jörg Hartmanns Vater litt in seinen letzten Lebensjahren an fortschreitendem Gedächtnisverlust. Einer der für ihn berührenden Begegnung mit dem Vater im Pflegeheim verdankt sich sein Buch. Um dem Verschwinden des geliebten Menschen etwas entgegen zu setzen, habe er diese Begegnung im Heim schriftlich festgehalten, anfangs ohne Plan zu einem Buch, sondern als Therapie.

Drei Szenen aus dem dann letztlich doch entstandenen „Erinnerungsbuch“ trägt Jörg Hartmann vor: Wie er die Maueröffnung 1989 mit dem Vater in Herdecke und später leibhaftig in Berlin erlebte; die wohl einschneidendste Erfahrung in seinem bisherigen Leben. „Die Zeitgeschichte hatte geklingelt“, heißt es im Buch. Das zweite Vortragsstück erzählt vom Leichenschmaus nach der Beerdigung seines Vaters. Die Anspannung ist gewichen und entlädt sich im „westfälischen Katzenchor“, den von der Trauergemeinde gesungenen Heimatversen, die Hartmann mit gekonnt schiefen Tönen lauthals in den Saal schmettert. Seine Gedanken schweifen bei der Trauerfeier ab in die letzten Kriegsjahre, als die väterliche Familie mit Glück dem alliierten Bombardement lebend entkommt. In der dritten vorgetragenen Passage beschreibt er wie sein Stuttgarter Schauspiellehrer ihn auf sein Vorsprechen bei der Intendantin der Berliner Schaubühne vorbereiten will. Mit einem Kollegen studiert er ein Stück von Botho Strauß ein, bei dem er in ein Mettbrötchen beißen soll. Weil dies mit maximal sinnlicher Hingabe zelebriert werden soll, stellt er sich eine erotische Annäherung an Brigitte Bardot vor. Urkomisch wirkt die Differenz zwischen eingebildeter Hinwendung an eine Sexgöttin und dem geforderten Biss in ein Hackfleischbrötchen. Der Jubel des Publikums entlädt sich schließlich derart, dass eine Zugabe gewährt wird. Sie schildert eine Episode, in der Stuttgart Jörg Hartmann als nur einmal erfolgreichen Handballer erleben durfte.

Die Lesung seiner Texte entpuppte sich als ein Schauspiel in drei Akten mit einem Nachschlag. Im Vortrag zeigt Jörg Hartmann, dass er zu den größten Schauspielern zählt, die man auf deutschsprachigen Bühnen erleben kann. Er ist zurzeit nach einer Unterbrechung wieder unter Vertrag bei der Schaubühne in Berlin, zu der er eine „on-off-Beziehung“ pflegt. Stets im aufmerksamen Kontakt zu seinem Auditorium, verleiht er der Sprache im Spiel eine sinnlich anschauliche Dimension, etwa wenn er die mühsam hervorgebrachten Sprachfetzen seiner gehörlosen Großeltern herauspresst oder wenn er den Ruhrpott-Slang seiner Protagonisten erklingen lässt. Die Resonanz seiner Zuhörer im Auge wirkt es, als ob er mit diesen ein Zwiegespräch führt.

Im Anschluss signierte Hartmann freundlich zugewandt die Bücher zahlreicher Zuhörerinnen.

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