Ein Glas Orange Wine im Keller von Rainer Schnaitmann. Foto: Brigitte Hess

Orange Wines liegen im Trend. Deshalb experimentieren Wengerter immer wieder mit völlig unbehandelten Weinen. Schon vor 2000 Jahren wurden Weißweine hergestellt, die orange im Glas leuchten.

Fellbach/Kernen - Wer vinologisch auf dem neuesten Stand sein will, der trinkt wie zu alten Zeiten. Raw-Wines oder Orange Wines liegen im Trend und wen wundert’s: Auch hiesige Wengerter experimentieren mit völlig unbehandelten („raw“) Weinen oder lassen weiße Trauben auf der Maische vergären – so entstehen Weißweine, die orange im Glas leuchten. Vor 2000 Jahren wurde bereits in Georgien Maische in im Boden eingegrabene Amphoren gefüllt. Eine Tradition ist dort heute noch, bei der Geburt eines Kindes aufgefüllte Amphoren bei deren Hochzeit zu öffnen.

Matthias Aldinger neben dem Beton-Ei. Foto: Brigitte Hess

„Man braucht so tolle Trauben wie in diesem Herbst, dann muss man im Keller nichts mehr machen“, sagt Rainer Schnaitmann mit einem Augenzwinkern. Er sei einfach auf neue Geschmackserlebnisse neugierig, deshalb experimentiere er mit Orange Wine. „Vielleicht produzieren wir in ein paar Jahren aus den Top-Qualitäten auf diese Weise die Top-Weine“, sagt er. Er habe von diesen Naturweinen schon tolle Tropfen probiert: „Man schmeckt das Terroire noch deutlicher heraus.“ 2014 hat Schnaitmann dann einen Teil seines Sylvaners komplett mit Stielen und eigenfüßig eingemaischt. Deckel drauf, drei Monate stehen lassen: Ein leuchtend orangefarbener, naturtrüber Wein entstand: „Manche sind völlig begeistert, andere – oft Frauen – finden ihn scheußlich.“ So ein Wein unterscheide sich sehr stark von allem, was man bislang kenne. „Wir bekommen eine Ahnung davon, wie Wein bei uns vor 150 Jahren geschmeckt haben könnte“, sagt Rainer Schnaitmann.

Die Naturweine haben kaum Alkohol

Ein Raw Wine ist der Trollinger Sine vom Weingut Aldinger. Sine heißt auf lateinisch „ohne“, und bei diesem Trollinger aus einer hochwertigen Lämmler-Lage hat „ohne“ Methode: Die Trauben werden nicht abgebeert, und sie werden ohne Maschinen in einem großen Zuber wie zu alten Zeiten mit den Füßen eingemaischt. Der Wein wird nicht filtriert, es werden keine Hefen zugesetzt, er wird nicht geschwefelt. Konsequenterweise ist auch das Etikett „ohne“: ein unbeschrifteter Aufkleber. „Dieser Trollinger kam super bei den Sommeliers an, er wurde im Gault Millaut mit 88 Punkten bewertet – vergleichbar mit einem hochwertigen Spätburgunder“, sagt Matthias Aldinger. Solche Naturweine sind leicht, der 2014er hat nur zehn Prozent Alkohol. Obwohl ungeschwefelt, halte die angebrochene Flasche länger als geschwefelter Trollinger, darüber war auch der Fachmann erstaunt. Ältere Kunden würden oft sagen, so habe Wein früher geschmeckt.

Eine Besonderheit im Weingut Aldinger ist ein 1,5 Tonnen schweres Beton-Ei. Hinein wird Sauvignon blanc gefüllt, der ein Jahr lang sich selbst überlassen bleibt. Der Wein kann durch den dickwandigen Beton atmen wie in einem Holzfass, aber der Beton ist geschmacksneutral.

Für einige Winzer ist der Orane Wine nichts Neues

Für den Stettener Jungwinzer Moritz Haidle ist Orange Wine nichts Neues: „Weißwein auf der Maische vergären, das machen wir schon lange.“ Von seinem Weißburgunder großes Gewächs nehme er ein Drittel und behandle es so wie die trendigen Orange-Wine-Macher. „Wir führen diesen Wein dann mit den anderen zwei Teilen zusammen, die traditionell im Barrique reifen.“ Vom Jahrgang 2014 füllte Haidle erstmals das auf der Maische vergorene Drittel separat ab: „An den völlig anderen Geschmack muss man sich gewöhnen aber was da entstand, hat mir gut gefallen.“ In seiner Weinliste tauchen die 180 auf dem Etikett durchnummerierten Flaschen jedoch gar nicht auf: „Das ist nur was für eine spezielle Kundschaft“, sagt Haidle. Für ihn sei das Ganze eine Spielerei, ob er den Naturwein dieses Jahr wieder separat ausbaue oder mit den anderen zwei Dritteln zusammen führe, das entscheide er spontan.

Orange Wine als Experiment

Johannes Bauerle hat ebenfalls eine kleine Menge Riesling als Orange Wine ausgebaut. Wunderschön habe er sich entwickelt, aber das Aroma sei nicht sortentypisch. „Dieses Jahr waren die Trauben so perfekt, da kann man schon mal so ein kleines Experiment wagen“, sagt er.Ob er den Wein ganz natur belasse oder doch noch etwas schwefle, will er noch entscheiden. „Und wenn er Zuspruch findet, werde ich das sicher nochmal machen“, ist Johannes Bauerle jetzt schon überzeugt.

Markus Heid hingegen findet Orange Wine „zu extrem, und mir schmeckt er auch nicht.“ Nicht alles, was auf den ersten Blick außergewöhnlich erscheine, sei dann auch gut. Er glaubt, dass bis in drei Jahren keiner mehr von Orange Wine spreche: „Ich erfinde nicht alle paar Jahre was Neues“, sagt Markus Heid mit der ihm typischen Gelassenheit.