Einblick in ein Zimmer im Flüchtlingslager in Berlin-Tegel. Foto: Max Avdeev

Verleihung des Hansel-Mieth-Preises in Fellbach: Die Reportage beschreibt die Zustände in Berlin-Tegel, wo tausende Menschen unter katastrophalen Bedingungen leben.

Die Agentur Zeitenspiegel Reportagen, die ihren Sitz in Weinstadt (Rems-Murr-Kreis) hat, hat vor einigen Wochen zum 27. Mal in Folge den Hansel-Mieth-Preis für engagierte Bild- und Textreportagen vergeben. Der Preis hat im Laufe seiner mittlerweile mehr als ein Vierteljahrhundert währenden Geschichte immer mehr an bundesweiter Bedeutung gewonnen.

 

Für den diesjährigen Preis waren 134 Bewerbungen eingereicht worden. Der mit 6000 Euro dotierte Preis geht an Frauke Hunfeld und Alexander Kauschanksi (Text) sowie an den Fotografen Max Avdeev. In schöner Tradition findet die feierliche Preisverleihung an diesem Mittwoch, 25. Juni, um 19 Uhr, im Großen Saal des Rathauses in Fellbach statt. Denn zu Fellbach hatte die Namensgeberin des Preises in ihrer Jugend eine enge Beziehung.

Titel der Reportage: „Das Lager“

Die mit dem Preis ausgezeichnete Reportage von Hunfeld und Kauschanski sowie Avdeev trägt den Titel „Das Lager“ und ist erschienen im wöchentlichen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Die Reportage beschreibt die Zustände in Deutschlands größter Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Tegel, wo tausende Menschen unter katastrophalen Bedingungen leben – während etliche Firmen mit diesen Zuständen gute Geschäfte machen.

In ihrer Begründung würdigt die Jury die besondere Leistung der drei Journalisten: „Herausragend geschrieben und fotografiert – auf Basis einer vorbildlichen, tief gehenden Recherche. Einer Recherche, die einen beim Lesen miterleben lässt, wie sich das Leben in einem solchen Lager anfühlt. Einer Recherche, die sich nicht von ersten Eindrücken blenden lässt und anschaulich die Zahlen zutage fördert, die hinter einem solch riesigen Dauerprovisorium stehen.“

Das Lager in Berlin-Tegel Foto: Max Avdeev

Und weiter heißt es in den Erläuterungen der Jury: „Beeindruckend, welchen Zugang sich der Fotograf und das Autoren-Team zu den Bewohnern des Flüchtlingslagers erarbeitet haben. Die Nähe, die dadurch möglich wurde, macht diese Reportage zu etwas Besonderem.“

Mit dem Hansel-Mieth-Preis, der zu den wichtigsten Ehrungen im deutschen Journalismus gehört, erinnert die Reportergemeinschaft Zeitenspiegel Reportagen an ihr 1998 verstorbenes Ehrenmitglied. Johanna Mieth wurde 1909 in Oppelsbohm geboren und wuchs in Fellbach auf. 1928 ging sie in die USA, dort widmete sie sich als Fotoreporterin für das amerikanische Magazin Life sozialen Themen. Der Preis würdigt herausragende engagierte Reportagen. Text und Fotos werden dabei gleichermaßen bewertet.

Fotografie, auch Reportagefotografie, ist einer der Schwerpunkte des Kulturprogramms in Fellbach und auch der Ausstellungstätigkeiten in der Galerie der Stadt. Hierzu gehören die Doppelausstellung mit Bildern von Hansel Mieth, Otto Hagel und Robert Capa im Jahr 2006, die große Henri-Cartier-Bresson-Schau 2008, die historische „Magnum’s first“-Ausstellung im Jahr 2010 oder die Retrospektive „Martine Frank“ 2013.

Begründet wurde diese Tradition durch die Wiederentdeckung der Reportage-Fotografen Hansel Mieth und Otto Hagel, die in den 1930er und 1940er Jahren in Amerika einige Berühmtheit erlangt und dieses Genre mitbegründet haben. Beide hatten ihre Jugend in Fellbach verbracht, 1940 heiratete das Paar. Eine Ausstellung in Fellbach vor rund 30 Jahren machte die Fotografen in Deutschland bekannt.

Hansel Mieth als junge Fotografin Foto: Archiv

Schonungslose Fotografien

Die 1985 gegründete Agentur Zeitenspiegel mit dem Sitz im benachbarten Weinstadt-Endersbach wurde nicht zuletzt durch diese Ausstellung auf Hansel Mieth aufmerksam. In ihrer ehrlichen und schonungslosen Art der Darstellung wurde das vorbildliche Schaffen von Hansel Mieth schnell offenbar.

Hansel Mieth, die noch in ihrem Todesjahr 1996 Ehrenmitglied der Agentur Zeitenspiegel wurde, gibt seit 1998 einem Preis den Namen, den die Agentur zu ihrem Gedenken jährlich in Fellbach verleiht. Aus der langjährigen Zusammenarbeit mit der Reportergemeinschaft Zeitenspiegel heraus wurde die Idee geboren, der zeitgenössischen Reportagefotografie ein Forum in der Galerie der Stadt Fellbach zu bieten.


Festakt

Preisverleihung
Die Veranstaltung im Großen Saal des Fellbacher Rathauses am Mittwoch, 25. Juni, beginnt um 19 Uhr mit der Begrüßung durch die Fellbacher Oberbürgermeisterin Gabriele Zull. Alexander Smoltczyk – der Spiegel-Reporter ist langjähriges Jury-Mitglied – hält die Festrede. Die Schauspielerin und Regisseurin Barbara Stoll liest die preisgekrönte Reportage.

Gespräch
Nach der Laudatio und der Übergabe des Preises findet ein Gespräch mit Frauke Hunfeld und Max Avdeev über ihre Reportage statt. Musikalisch wird das Programm von Eva Leticia (Gesang) und Dany (Gitarre) begleitet. Es moderiert Jochen Stöckle (SWR).