Rainer Graßl zeigt eine Zeitungsseite, auf der 2014 über seine Facebook-Gruppe berichtet wurde. Foto: privat

Die Fellbach-Gruppe auf Facebook erreicht inzwischen weit mehr als 10 000 regelmäßige Nutzer. Vor vier Jahren hat Rainer Graßl die Internetseite aus der Taufe gehoben.

Fellbach - Der Fellbacher Gastronom Ismail Asani findet Facebook spitze. Speziell die Seite des Fellbachers Rainer Graßl hat es dem Sohn albanischer Eltern angetan. Denn hier postet Asaninun täglich, was die Küche seines Lokals Amfora in der Bahnhofstraße zu bieten hat. Und mehr als 10 000 Mitglieder können die Speisekarte lesen – ob sie nun in Fellbach leben oder in aller Welt verstreut auf Nachrichten aus der alten Heimat warten. Vor vier Jahren hat Graßl (48) seine Fellbach-Gruppe im Internet aus der Taufe gehoben. Kürzlich hat die Facebook-Seite eine fünfstellige Nutzerzahl erreicht.

Die Facebook-Gruppe ist keine Eintagsfliege

„Am Anfang dachten alle, dass die Gruppe eine Eintagsfliege ist und das Interesse schnell nachlässt“, sagt der Daimler-Mitarbeiter. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Nutzerzahlen wachsen und wachsen, die Resonanz ist enorm. 8000 Menschen haben in den vergangenen vier Wochen wenigstens einmal auf die Seite geschaut. Und immer noch finden sich Beispiele, mit denen nach der magischen Formel „Du bist dem Kappelberg ver-bunden und ein Fellbächer, wenn ...“ eine emotionale Nähe ausgedrückt wird.

Wer in Fellbach aufgewachsen ist, hat nun mal die Erinnerung an die beim Kurrle gekauften Schulhefte, die Holzrutsche im früheren Bekleidungshaus Seibold, die erste Currywurst beim Hutt oder das Lied von der „Seefahrt nach Rio“ – und schwelgt von Straßenbahn-Fotos bis zu Bildern von längst vergessenen Schulfesten gerne ein wenig im Gefühl der Nostalgie. Natürlich hat die Facebook-Seite den Nutzern weit mehr zu bieten als aktuelle Speisekarten und den Blick in die Vergangenheit. Vor der Radarfalle des städtischen Temposünder-Trupps wird regelmäßig gewarnt, über den geplanten Kahlschlag auf dem früheren Freibad-Areal oder den Tempo-30-Versuch auf der Bahnhofstraße entspannen sich teils hitzige Debatten. „Die Erhöhung der Hundesteuer hat zu Riesen-Diskussionen geführt“, sagt Rainer Graßl über eines der größten Aufregerthemen der vergangenen Wochen. Wenn der Hubschrauber über der Stadt kreist oder der Strom ausfällt, füllt sich die Facebook-Seite mit Kommentaren. Und egal, ob die Katze entlaufen ist oder jemand nach einem Verwendungszweck für die zu groß gewordene Blautanne in seinem Garten sucht: Unter den aktuell 10 025 Mitgliedern der Fellbach-Gruppe findet sich fast immer jemand, der einen guten Tipp („Biete den Baum zu Weihnachten doch der Kirche an“) parat hat. Nutzer könnte die Internet-Seite durchaus noch mehr haben. Doch da hat Rainer Graßl als Administrator schon auch ein wenig den Daumen drauf: Gut 600 Zeitgenossen hat der Vater von zwei Kindern blockiert, weil sie in ihren Beträgen die guten Sitten vermissen ließen oder der Rutsch in die rechte Ecke drohte.

Verlinkt und kommentiert werden auch Zeitungsartikel

Gerne verlinkt und kommentiert werden auch Zeitungsartikel, die Fellbach-Seite ist für viele Nutzer wie ein digitales Klassentreffen: Man ist aus Fellbach weg, aber immer noch ein bisschen da. Dabei zeigt die Statistik-Seite von Facebookleider nicht, wie viele Nutzer aktuell noch in Fellbach wohnen und wen der Job oder die Liebe in die weite Welt verschlagen hat. Sicher ist, dass die meisten Mitglieder in Deutschland leben, mit Abstand folgen Italien und die USA . „Es wird oft gelobt, dass einem nichts entgeht“, weiß Rainer Graßl, der übrigens in Waiblingen aufwuchs.

Deutlich wird beim Blick auf die Nutzerzahlen übrigens auch, dass die Fellbach-Seite ein Generationenthema ist. Fast die Hälfte der Mitglieder ist im Alter zwischen 35 und 55 Jahren. Anders ausgedrückt: Bei Jugendlichen kräht kein Hahn mehr nach Facebook, der Anteil der unter 18-Jährigen liegt bei gerade mal 1,2 Prozent. Und auch bei der Rentnergeneration scheitert das Medium – gerade mal 3,8 Prozent der Mitglieder sind über 65 Jahre alt.

Wie groß sein Zeitaufwand für die Seite ist, lässt Rainer Graßl offen. Von der Idee, Co-Moderatoren einzuspannen, hält er dennoch nichts. Selbst, das betont der 48-Jährige, hält er sich mit Stellungnahmen bewusst zurück. Fellbachs Oberbürgermeisterin Gabriele Zull hat er im Wahlkampf freilich ein Podium geboten. Sie hält – nicht nur deshalb – große Stücke auf die Fellbach-Gruppe: „Wenn es die Seite nicht geben würde, müsste man sie erfinden“, spricht Zull von einem „Stückchen Heimat“ und einem „wunderbaren Austauschort für die Bürgerinnen und Bürger“. Sie vergleicht den Besuch auf der Seite mit dem Gang zum Einkauf oder ins Café: „Sie treffen gute Bekannte und Freunde, er-halten viele Informationen und können sich dabei auch einfach gut unterhalten“.