Die Porträts werden durch Gegenstände aus der Wohnung ergänzt. Foto: Sascha Sauer

Die Fotografin Birgit Püve porträtiert eine abgeschiedene Welt im Grenzland zwischen Estland und Russland. Die Fotoserie „By the Lake – Estonian Documents“ ist in der Galerie der Stadt Fellbach zu sehen.

Fellbach - Birgit Püve hat an fremde Türen geklopft und um Einlass gebeten. Im Inneren der Häuser offenbarte sich ihr eine Welt, in der die Zeit stillzustehen scheint. Die Fotografin porträtierte eine Minderheit orthodoxer russischstämmiger Esten, die in Dörfern am Ufer des Peipussees lebt. Dabei entstanden private, ja intime Bilder, die beinahe sakral anmuten.

„By the Lake – Estonian Documents“ heißt die Fotoserie von Birgit Püve. Am Donnerstagabend wurde die Ausstellung im Rahmen des Europäischen Kultursommers Fellbach in der Galerie der Stadt eröffnet. „Den russischstämmigen Orthodoxen ist es erstaunlicherweise gelungen, ihre Traditionen über die Jahrhunderte zu bewahren – selbst Sozialismus und sowjetrussische Doktrin haben sie überstanden“, erklärte Heribert Sautter, der stellvertretende Leiter des Kulturamts.

Die Menschen sind in der Vergangenheit verwurzelt

In der abgeschiedenen Welt an den Ufern des Peipussees im Grenzland zwischen Estland und Russland führen die Strenggläubigen ein Leben ohne Tapetenwechsel. „Die Menschen sind derart in der Vergangenheit verwurzelt, dass gelegentlich der Eindruck entsteht, als würden sie mehr in der Vergangenheit als für die Zukunft leben“, sagte Birgit Püve, die bei der Ausstellungseröffnung anwesend war.

Die Altgläubigen wussten, dass sie fotografiert werden, und versuchten nichts zu schönen. Ergänzt werden die Porträts durch Gegenstände aus ihren Wohnungen wie Ornamente von Tapeten, Kruzifixe, Wandteppiche oder Fotos von Vorfahren. „Eine ungewöhnliche Bildidee, die wirkt“, sagte Sautter.

Birgit Püve ist eine vielfach ausgezeichnete Fotografin

Birgit Püve begann ihre Karriere als Zeitungsreporterin. Doch der Kauf einer Kamera änderte alles. Mittlerweile ist sie eine vielfach ausgezeichnete Fotografin, die für Zeitschriften wie Sunday Times, Washington Post, Geo oder den Spiegel arbeitet. In ihrer ersten Solo-Ausstellung in Deutschland zeigt Birgit Püve insgesamt drei Projekte. So sind außer Landschaftsaufnahmen aus Estland auch Porträts von Menschen zu sehen, die die Fotografin als Typen besonders interessieren. Es sind teils Zufallsbekanntschaften, teilweise Leute, die sie auf der Straße angesprochen hat. „Die besondere Qualität besteht darin, dass ihre Fotografien nicht nur abbilden, sondern eine gesellschaftliche Befindlichkeit reflektieren wollen“, sagte Sautter.