Die Stadt Fellbach trennt in der Karolingerstraße Fußgänger und Radler durch einen Grünstreifen. Die Strecke ist allerdings nach zwölfeinhalb Metern schon wieder aufgehoben.
Unterm Kappelberg fühlt man sich mit Vorliebe an der Spitze, setzt im spielerischen Wettbewerb unter den Großen Kreisstädten an Rems und Murr öfter mal imposante Duftmarken, denkt gerne recht üppig, breit, lang oder hoch – siehe den 107 Meter in die Höhe ragenden, leider allerdings seit achteinhalb Jahren seiner Vollendung harrenden Schwabenlandtower.
Jedenfalls gilt in Fellbach immer mal wieder die Losung: schneller, höher, weiter – kürzer ist allerdings eher selten der Fall. Es sei denn, es handelt sich um einen regionsweiten Superlativ. Nach dem Motto: Wir haben den kürzesten Radweg weit und breit.
Kurzer Radweg: Kuriose Entdeckung im Stadtteil Schmiden
Eine Entdeckung bei einer Radtour dieser Tage lässt jedenfalls diese Vermutung aufkommen. Denn im mittleren Stadtteil Schmiden wird man als Pedaleur mit einer Situation konfrontiert, die man so auch noch nicht gesehen hat. Wenn man vom demnächst schließenden Kaufland in die Karolingerstraße radelt, dann geht kurz nach der Fröbelschule in nördliche Richtung ein Verbindungsweg ab.
Nach ein paar Metern allerdings hat die Stadt offenkundig vor Kurzem eine besondere Verkehrslösung gefunden: eine Art Barriere, bestehend aus dem Fußweg auf der linken Seie, in der Mitte ein irgendwann mal als Grünstreifen vorgesehenes Stückchen mit Erde. Und rechts ein schmaler Radweg.
Der ausgewiesene Radweg ist keine 15 Meter lang
Das Besondere: Die ganze Konstruktion ist – mehrfach mit raumgreifenden Schritten abgegangen – ziemlich genau 12,5 Meter lang. Womöglich ein Fall fürs Guinnessbuch der Rekorde: In weniger Sekunden als hier in Schmiden kann man bundesweit einen Radweg kaum hinter sich bringen.
Was soll das? Die Frage könnte man mit Herbert Grönemeyer trällern. Ein Anwohner, der gerade den Hausmüll in die Tonne leert, weiß eine Antwort: Das hätten seine Nachbarn angeleiert, weil es oft gefährliche Begegnungen zwischen radelnden Schülern und Kindern, die aus dem Eingang auf den Gehweg wollten, gegeben habe. Deshalb sei der Radweg nach außen verlegt worden.
Stadt erläutert den Grund für den Radweg
So ganz scheint diese Variante allerdings nicht immer zu klappen. Denn ausgerechnet bei unserem Vorort-Besuch schlendert ein Mann beim Gassigehen über den Radweg. Eine entgegenkommende Radlerin wählt deshalb den per Schild ausgewiesenen Fußweg für ihre Strampeleinheit.
Als am nächsten Morgen auch noch die Mail eines Lesers in die Redaktion schneit, der kürzlich den kurios kurzen Radweg ebenfalls entdeckt hat, ist dann doch die zügige Nachfrage im Rathaus fällig. Die städtische Pressesprecherin Sabine Laartz übermittelt umgehend die schlüssig wirkenden Erläuterungen der Fellbacher Radbeauftragten Birgit Orner.
Motorroller als Gefahr für Schüler
Demnach ist dieser Weg grundsätzlich in Schulzeiten – als offizieller Schulweg – sehr stark frequentiert, etwa auf dem Weg zur nahen Fröbelschule. „Leider wurde die Strecke von Autofahrern aber immer wieder als Abkürzung genutzt“, so die Fellbacher Mobilitätsbeauftragte. Daher hat die Stadt bereits vor einigen Jahren zur Verengung eine Grünfläche angelegt. Außerdem wurden zusätzliche Baken errichtet, da trotz des Verbots immer wieder motorisierte Roller die Strecke als Abkürzung nutzten und die dort laufenden Schülerinnen und Schüler gefährdeten.
Der Durchlass war in dieser Zeit allerdings lediglich 1,50 Meter breit. Orner: „Dies führte zu Stoßzeiten immer wieder zu Konflikten – zwischen Fußgängern, Radfahrenden, Schülerinnen und Schülern, Motorrad-/Rollerfahrern und Anwohnenden, die für den Zugang zu den Gebäuden keinen gesonderten Gehweg hatten.“ Somit war diese Situation – von der Stadt auf einem mitgeschickten Foto festgehalten – nach Orners Angaben „für alle unbefriedigend und sicherheitstechnisch nicht optimal“.
Als Folge wurde im Spätwinter die jetzige Lösung umgesetzt, die seit 12. März fertig und begeh- beziehungsweise befahrbar ist. „Die jetzige Umgestaltung hat bewusst einen Teil der Begrünung erhalten, um eine Entzerrung des Fuß- und Radverkehrs zu ermöglichen.“ Der Umbau des Durchlasses „in der Sackgasse Karolingerstraße“ sei im Übrigen nach umfangreicher Abstimmung mit Anwohnenden, der Schule und der Straßenverkehrsbehörde erfolgt.
Kürzester Radweg? Cloppenburg ist mit dabei
Möglich, dass Fellbach damit nun zum neuen deutschen Rekordhalter aufgestiegen ist. Amtliche Statistiken gibt es natürlich nicht. Allerdings weist das Internet einen längenmäßig ähnlich bescheidenen Radweg aus.
Dabei handelt es sich um ein auf Youtube einsehbares Video des NDR-Satiremagazins Extra 3 – das sich übrigens kürzlich köstlich über die Fellbacher Tower-Dauerbaustelle ausgelassen hat. Der knapp dreiminütige Film zeigt ein ähnliches Projekt, bei dem sich die Verkehrsplaner ebenfalls sehr viel gedacht haben. Titel des 2021 ausgestrahlten Beitrags: „Realer Irrsinn: Der wohl kürzeste Radweg Deutschlands in Cloppenburg.“