Pädophile sind in Chatrooms keine Seltenheit. Foto: dpa

Ein 26-jähriger selbst ernannter Pädo-Jäger bekommt Ärger mit der Polizei: Er hatte sich als 13-jähriges Mädchen ausgegeben und mutmaßliche Sextäter im Livestream bloßgestellt.

Fellbach - Angestrengt starrt Giovanni T. abwechselnd in die Dunkelheit und in die Handykamera. Irgendwo hier muss er sein – der Mann, der sich mit einem 13-jährigen Mädchen verabredet hat, um Sex zu haben. Dass er nur den 26-jährigen Fellbacher mit verstellter Stimme am Telefon hatte, ahnt der mutmaßlich Pädophile jetzt noch nicht. Als ein Unbekannter sich dem vereinbarten Treffpunkt nähert, läuft T. los, das Smartphone im Anschlag. „Jetzt, Leute, müsst ihr aufpassen, schaut zu“, sagt er an jene Menschen gerichtet, die ihm via Internet live zugeschaltet sind. Dann schnappt die Falle zu, er stellt den Fremden zur Rede.

Das Video stammt vom April dieses Jahres; der Fellbacher hat mehrere solcher Filme live ins Netz gestellt. Die meisten sind inzwischen gelöscht, denn nun ist Schluss mit der Pädojagd. Die Polizei ermittelt gegen den Fellbacher – dieser hat angekündigt, keine mutmaßlichen Kinderschänder mehr bloßzustellen.

Darum hat der Pädophilenjäger ein Problem mit den Behörden:

Das Problem bei den Videos ist: Im Livestream entlockte T. den mutmaßlichen Pädophilen persönliche Daten wie Vornamen, Arbeitgeber oder Familienverhältnisse. Unter den Videos hagelte es Kommentare. Manche Nutzer feierten den Fellbacher Pädojäger, für andere ging T. mit den Überführten nicht hart genug ins Gericht. Wieder andere riefen zu Lynchjustiz auf. Doch ob die Gesprächspartner wirklich ihre eigenen Daten preisgaben, blieb unklar.

Im Juni ging T. ein Mann aus dem Kreis Aschaffenburg ins Netz – der offenbarte so viel von sich, dass der Familienvater von Zuschauern in kürzester Zeit identifiziert werden konnte. Die dortige Polizei bat ihre Kollegen im Rems-Murr-Kreis um Amtshilfe und T. wurde zur Kripo nach Waiblingen vorgeladen. Diese geht dem Vorwurf nach, er habe die Vertraulichkeit des nichtöffentlich gesprochenen Wortes missachtet. Darauf stehen eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft. Auf Anfragen unserer Zeitung reagierte Giovanni T. nicht.

Polizeisprecher: „Wir brauchen keine Möchtegern-Polizisten“

Der Österreicher Markus Schulz, der die Pädojagd im Internet schon länger betreibt und mit T. zusammengearbeitet hat, verkündete nach dem Ärger mit der Polizei, T. steige aus: „Er deckt jetzt nicht mehr live auf, sondern gibt es der Polizei“, erzählte Schulz in einem Video.

Die Polizei hält von T. als Verbündetem aber reichlich wenig: „Eine Zusammenarbeit in jeglicher Form lehnen wir ab“, sagt der Aalener Polizeisprecher Ronald Krötz. „Die Zeiten des Prangers sind Gott sei Dank vorbei, wir brauchen keine Möchtegern-Polizisten.“ Zu schnell könne ein Unschuldiger ins Visier eines Mobs geraten. Erst im Juni war in Bremen ein Mann von einer Gruppe verprügelt worden, nachdem Zuschauer glaubten, ihn in einem Fernsehbeitrag über Pädophile erkannt zu haben. Die Polizei versichert hingegen, dass der Schwerverletzte unschuldig sei und nicht pädophil veranlagt.

Freiburger Kripochef fordert Gesetzesänderung zum Kampf gegen Missbrauch

Die Gesetze setzen auch den echten Fahndern Grenzen. Etwa, wenn es darum geht, Verbreitern von Kinderpornografie auf die Spur zu kommen. Denn Pädophile im Internet sind vorsichtig: Wer in ihren Foren und Tauschbörsen zugelassen werden will, muss auch selbst Material liefern. Der Chef der Freiburger Kriminalpolizei hat daher gegenüber der DPA gefordert, Fahndern in Deutschland müsse es erlaubt werden, computergenerierte Kinderpornos zu verbreiten. Fälle wie der jahrelange Missbrauch eines Jungen aus Staufen bei Freiburg könnten so möglicherweise viel schneller aufgeklärt werden. Die niederländische Polizei etwa hat schon vor Jahren ein virtuelles Missbrauchsopfer programmiert. Rund tausend Täter aus aller Welt fielen auf den Lockvogel „Sweetie“ herein.

Ein Pädophiler im Chatroom – das rät die Polizei:

Gegen Männer, die sich in Chatrooms an minderjährige Jungs und Mädchen heranmachen, hilft keine Computeranimation. „Auch unsere Fahnder sind im Netz unterwegs. Die halten sich aber an rechtsstaatliche Prinzipien“, sagt der Aalener Polizeisprecher Ronald Krötz. Ein Livestream oder ein Online-Pranger sei für echte Ermittler aber undenkbar.

Die Polizei ist im Kampf gegen Kindesmissbrauch aber auch auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen. Wird beispielsweise der Nachwuchs beim Chatten mit Pädophilen kontaktiert, rät Krötz Eltern, schnell die Polizei zu informieren. „Am besten ist es, den Chatverlauf per Screenshot festzuhalten und dann den Kontakt zu den Fremden abzubrechen“, erklärt Ronald Krötz. Wichtig sei auch, die Verdächtigen nicht versehentlich zu warnen, damit diese keine Beweise vernichten können.