Die Künstlerin Felicity Souter macht Koch-Kunst im wahrsten Sinne des Wortes – sie bäckt zum Beispiel van Goghs „Sonnenblumen“ nach. Bei einem Besuch in Waiblingen hat sie auch das Brezelschlingen gelernt.
Felicity Souter hat schon so manches Gemälde in Essen verwandelt – und die Rezepte in dem dicken Kochbuch „Kunst Kochen“ vereint. Monets „Getreideschober am Morgen“, Vincent van Goghs „Sonnenblumen“ oder ein abstraktes Gemälde von Lee Krasner – alles kein Problem für die englische Autorin, Malerin und Food-Stylistin. An diesem Vormittag aber steht die 30-Jährige in der Backstube in Waiblingen und hat vom Firmenchef Hermann Schöllkopf eine besondere Aufgabe bekommen: Sie soll das schwäbische Backwerk schlechthin – eine Brezel – formen. Gar nicht so einfach, stellt Felicity Souter fest, die sich darauf eingestellt hatte, ihr Rezept für Claude Monets „Getreideschober am Morgen“ zu backen.
Normalerweise laufe das Brezelschlingen vollautomatisch, erklärt Hermann Schöllkopf. Die 250 000 Euro teure Anlage produziert täglich bis zu 8000 Brezeln, die dann von Menschenhand noch etwas in Form gezogen werden. In der Teigmacherei zeigt der Bäckermeister auf Mehl, Butter und Hefe und sagt, die Teigherstellung gehe nicht viel anders als zu Hause vonstatten: „Alles ist nur ein paar Nummern größer.“ Zum Beispiel die Hefewürfel, die hier das Format von Ziegelsteinen haben.
Die vorbereiteten Teigrollen schlingen Felicity Souter und ihre Gastgeber vom Förderverein der Galerie Stihl Waiblingen Ruckzuck zu Brezeln, die erst eine Lauge-Dusche, einen Einschnitt und eine Portion Salz verpasst bekommen und dann in den Backofen wandern. Brezel-Test bestanden.
Van Goghs Sonnenblumen als Käsekuchen
Drüben in der Konditorei warten eine sehr große Schüssel Rührteig und Muffinformen auf Felicity Souter. Die Basis für Claude Monets Getreideschober, welche später bei ihrem Vortrag, zu dem der Förderverein im Rahmen der Ausstellung „Ein Fest für die Augen – Essen in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts“ eingeladen hat, serviert werden sollen. Felicity Souter füllt mit einem Eisportionierer den Teig ein und berichtet, sie habe ihr halbes Leben die Idee zu ihrem preisgekrönten Kochbuch mit sich herumgetragen. Den Anstoß gab ein Besuch in der Tate Gallery London, wo sie als 14-Jährige das Bild „Lovers“ von Howard Hodgkin entdeckte. Mit den Händen zu arbeiten, sei ihr Ding, außerdem beschäftige sie sich gerne mit Essen und Kunst, sagt die Engländerin, die als abstrakte Landschaftsmalerin in Bristol lebt.
Claude Monet baute Obst und Gemüse an
Ihr 2023 erschienenes Buch bringe Essen und Kunst zusammen, berichtet die Autorin, die das Leben von 52 Künstlerinnen und Künstlern und ihre kulinarischen Vorlieben erforscht hat. Claude Monet zum Beispiel habe Obst und Gemüse angebaut. „Über Rezepte urteilen die meisten Menschen selbstbewusst und fühlen sich kompetent. Bei Kunst gibt es eine gewisse Scheu“, sagt Felicity Souter, die sich wünschen würde, dass Menschen über Kunst so selbstbewusst und lustvoll reden wie über Essen. „Kunst gilt ja oft als etwas Ernstes, sie soll aber auch Spaß machen und ein Genuss sein.“
„Kunst Kochen“ erscheint nach zehn Jahren Vorarbeit
Nach gut zehn Jahren Vorarbeit hat Felicity Souter einen Verlag gefunden und richtig losgelegt. Die Abbildungen der Gemälde und die Bildrechte dafür zu organisieren, war bei manchen Kunstwerken eine Herausforderung, bei manchen unmöglich. Bei anderen hakte es am Rezept. Eine Arbeit von Edward Burne-Jones wollte Souter als Schokoladen-Kaffee-Käsekuchen backen. „Aber das hat immer eklig geschmeckt“, sagt sie – die Idee wurde verworfen. Die Fotos der Speisen hat die Autorin selbst gemacht, als Testesser hat sie ihren Partner verpflichtet, der jedes Essen mehrmals verkostete: „Er hat ein Jahr lang sehr gut gegessen.“