In der Ruiter Belchenstraße waren in den vergangenen Monaten die Stromzapfsäulen voll im Einsatz. Foto:  

Ein Feldversuch des Netzbetreibers Netze BW in Ostfildern-Ruit hat gezeigt, dass selbst mehrere Haushalte mit E-Fahrzeugen in einer Straße das Stromnetz nicht an die Grenze bringen. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass dieses gut ausgebaut ist.

Ostfildern - Elektromobilität erfordert starke Stromnetze. Das ist dem Netzbetreiber Netze BW, einer Tochter des Energieversorgers EnBW, schon länger klar. Doch wie das System gesteuert werden muss, um den Anforderungen der Verbraucher gerecht zu werden, das erforscht das Unternehmen seit Mai vergangenen Jahres im Ostfilderner Stadtteil Ruit. Dort hat es in der Belchenstraße das Netzlabor „E-Mobility-Allee“ eingerichtet.

Zehn Haushalte bekamen jeweils ein Elektroauto gestellt, um die Auswirkungen deren Nutzungs- und Ladegewohnheiten auf das Stromnetz testen zu können. Eine wichtige Erkenntnis ist: Das Lademanagement und die richtige Verteilung sind entscheidend. Zudem muss „eine emissionsfreie Mobilität für die Bürger bezahlbar und attraktiv“ sein, erklärte der baden-württembergische Verbraucherschutzminister Peter Hauk (CDU) am Mittwoch bei einem Pressetermin, der über Ergebnisse des Netzlabors informierte.

Probelauf unter realen Bedingungen

Norbert Simianer, der Fraktionsvorsitzende der CDU-Gemeinderatsfraktion, ist einer der zehn von der Netze BW auserwählten Probanden. Ihm wurde im Mai vergangenen Jahres ein Renault Zoe zur Verfügung gestellt, der mit Strom betrieben wird. Probleme, das Fahrzeug aufzuladen, habe er in der bisherigen Testphase „nie gehabt“. Dann schon eher mit der Reichweite seines Fahrzeugs, die im Winter von 280 auf 190 Kilometer zurück gegangen sei. Bei einem Nachbarn mit einem BMW i3 sei der Abfall noch viel drastischer ausgefallen.

Doch für die Netze BW ist die Reichweite der Fahrzeuge kein Prüfkriterium gewesen. Ihr ging es in erster Linie darum festzustellen, wie das Stromnetz in der Belchenstraße auf die Mehrbelastung durch das Laden von gleich zehn E-Autos reagiert. „Studien und Powerpointpräsentationen gibt es viele“, sagte Christoph Müller vom Vorstand der Netze BW-Geschäftsführung, „aber das muss in der Realität ausprobiert werden“.

Ein simuliertes gleichzeitiges Laden der zehn Autos brachte das Kabel zwar an die Belastungsgrenze, aber es habe sich gezeigt, dass „dies in der Realität gar nicht vor kommt“, erklärte Selma Lossau, die Projektleiterin der E-Mobility-Allee. Denn die Fahrzeuge würden zwar meist in den Abendstunden, aber an unterschiedlichen Tagen geladen – maximal hingen fünf gleichzeitig an der Steckdose. Dadurch seien die „Lastspitzen undramatisch“, so Lossau. Und selbst wenn der Ladevorgang durch mehrere am Stromnetz hängende Autos eine Stunde länger dauere, bemerkten das die Kunden nicht, wenn sie ihr Fahrzeug über Nacht laden.

Minister Hauk fordert „spezielle variable Tarife“

Laut Selma Lossau hat das Netzlabor gezeigt, dass die zum Laden der E-Mobile benötigte Strommenge kein Problem darstelle. Auch deren Verteilung und zeitliche Verfügbarkeit seien beherrschbar – vorausgesetzt die lokalen Verteilnetze seien ausreichend ertüchtigt. Deshalb gelte für eine Etablierung der E-Mobilität: „Ohne Netzausbau werden wir es nicht schaffen.“ Das Unternehmen rechnet in seinem Netzgebiet mit Investitionen von bis zu 500 Millionen Euro, um Elektromobilität alltagstauglich machen zu können.

Um die Ladezyklen zu entzerren, bedürfe es zudem finanzieller Anreize, ist der Verbraucherschutzminister Peter Hauk überzeugt. Er fordert deshalb „spezielle variable Tarife, die zu lastschwachen Zeiten den Strom günstiger anbieten“. Für die Messung und Abrechnung solcher Preismodelle müsse der Bundesgesetzgeber jetzt die nötigen Verordnungen erlassen, so Hauk. Als „ideal“ erachte er zudem, „wenn lokal erzeugter Strom, etwa durch Fotovoltaik, einem Mikro-Blockheizkraftwerk oder einer Brennstoffzelle im Heizungskeller, direkt in der Nachbarschaft zum Beispiel zum Laden von Elektromobilen genutzt werden könnte“. Das optimiere den lokalen Verbrauch und entlaste dadurch auch die Verteilnetze. Allerdings müsse für diese Fälle als Anreiz ein Teil der Umlagen und Abgaben auf den Strompreis entfallen.

Um der Elektromobilität in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen, müssten in Berlin endlich klare Rahmenbedingungen geschaffen werden, fordert Hauk. „Steuerliche Anreize für eine emissionsfreie Mobilität würden den Pendlerinnen und Pendlern helfen und kämen direkt den ländlichen, wie auch den urbanen Räumen zugute“, so der baden-württembergische Verbraucherschutzminister.