Bei der traditionellen Felderrundfahrt der Landwirte aus Rutesheim und Perouse geht es um den Stand der Feldkulturen in einem äußerst nassen Jahr.
„Wenn Menschen krank sind, bekommen sie Medikamente – und auch Tiere werden behandelt, wenn sie krank sind. Warum sollte unseren Kulturpflanzen nicht geholfen werden, wenn sie Krankheiten befallen und ein Ernteausfall droht?“ Diese Frage hat Rolf Vincon bei der jüngsten Felderrundfahrt der Rutesheimer und Perouser Landwirte in die Runde geworfen. Er ist im Waldenserort der Obmann des Bauernverbandes und hat gemeinsam mit Tobias Fauser, dem neuen Rutesheimer Gemeinderat der BWV (Bürgerliche Wählervereinigung) für Perouse, die Informationsfahrt organisiert.
Damit hat Vincon ein Thema angesprochen, mit dem Landwirte häufig konfrontiert werden und das ihnen unberechtigte Kritik, wie es der Landwirt formuliert hat, einbringe. „Wir spritzen doch nicht einfach aus Lust und Laune auf den Feldern herum, wir haben lange Erfahrung und gutes Fachwissen,“ schilderte Vincon den rund 40 interessierten Laien – Rathausspitze, Gemeinderäte, Bürgerinnen und Bürger – , die zusammen mit den Landwirten auf den beiden Traktoranhängern Platz genommen hatten, die Situation.
Wegen der Nässe breiten sich Pilzkrankheiten aus
Gleich beim ersten Halt, an einem Schlag mit Sommergerste, machte Marianne Häfner-Lohrer, Pflanzenbauberaterin beim Landratsamt, deutlich, dass es in diesem nassen Jahr ohne Behandlung für die Feldfrüchte große Schäden geben könnte: „Die Pflanzen sind zwar gut gewachsen, doch durch die Feuchtigkeit ist der Krankheitsdruck äußerst hoch – vor allem Pilzkrankheiten breiten sich aus.“
Dieses Problem gebe es auch beim Weizen. „Wichtig sind auch neue resistente Weizensorten, die weniger Pflanzenschutz benötigen, denn immer mehr Mittel fallen weg“, riet die Pflanzenbauberaterin.
„Der ist aber gelb und auch blau“, staunten die Nichtfachleute an einem Maisfeld. Die Pflanzen stünden unter mehrfachem Stress, erläuterte Marianne Häfner-Lohrer. Da sei zum einen die fehlende Wärme. Zudem hätte die vielen Regenfälle die Böden verschlämmt und verdichtet, sodass die Pflanzen nicht an die Nährstoffe im Boden herankommen. Doch der Mais sei immer wieder für Überraschungen gut.
Auf Perouser Gemarkung angekommen, ging es um die Kartoffeln, mit denen allein der Hof von Rolf Vincon und Tobias Fauser eine Fläche von 35 Hektar bewirtschaftet, auf der rund 1500 Tonnen des Knollengemüses erzeugt werden. Auch hier macht die hohe Feuchtigkeit Probleme – sie hat eine wahre Schneckenplage begünstigt. „Zum ersten Mal mussten wir Schneckenkorn ausbringen“, sagte Tobias Fauser. Die schleimigen Kriecher fressen nicht nur das Pflanzenlaub ab, sondern sie ziehen sich bei Wärme in den Boden zurück und nagen Höhlen in die Knollen, wo sie in feuchter Umgebung ausharren.
Große Schwankungen beim Weizenpreis
Ein weiteres Problem ist die Krautfäule. An einem Schlag führte Landwirt Klaus Schenck vor, welche Folgen es hat, wenn eine Spritzung ausfällt. Die Pflanzen sind so geschädigt, dass hier mit einem Totalausfall zu rechnen ist.
Gespannt waren alle auf die Ausführungen von Frank Kogel. Der Gebersheimer ist Betriebsleiter der Baywa-Filiale in Heimerdingen, die die Ernte der Landwirte aus der Region vermarktet. „Es gibt und gab zum Teil wahnsinnige Schwankungen beim Preis, vor allem beim Weizen“, schilderte er. Die Preise werden auf dem Weltmarkt festgelegt und da spielten riesige Produzenten, wie Russland, die USA und auch die Ukraine eine große Rolle. „Der deutsche Markt ist viel zu klein.“, sagte Kogel. Mit Blick auf den Wald freut sich der Revierförster Ulrich Neumann über jeden Tropfen Regen der niedergeht: „Das Wasser tut dem Wald gut, es kann nie zu viel sein.“ Nasser Boden erschwere zwar die Holzentnahme, doch das können man bewerkstelligen. Trotz des vielen Regens gehe es dem Rutesheimer Forst nicht gut: „Fast jeder zweite Baum ist krank.“
Mit einer Bitte trat Jagdpächter Gerhard Scheeff an die Landwirte heran: Bevor sie die Heuwiesen mähen, sollten sie das Kitz-Rettungsteam der Kreisjägervereinigung Leonberg kontaktieren. Die jungen Rehkitze verharren die ersten Wochen nach ihrer Geburt regungslos an dem Ort, wo die Ricke sie zurückgelassen hat. Im hohen Gras seien sie für die Mäher so gut wie unsichtbar. Dieses Rettungsteam spürt kostenlos für die Landwirte per Drohne mit Infrarotkamera die Standorte der versteckten Kitze auf, sodass sie gerettet werden können.
Lob von Bürgermeisterin Susanne Widmaier
„Eure Arbeit ist uns wichtig“, sagte die Rutesheimer Bürgermeisterin Susanne Widmaier. Die Landwirte würden schwer schaffen, könnten aber nicht sicher sein, dass ihre Arbeit letztlich auch von Erfolg gekrönt werde. „Sie arbeiten nicht mit Unverstand, trotzdem knebeln viele Regelungen ihren Alltag“, meinte Rathauschefin Widmaier. Dabei würden sie eine immens wichtige Rolle in der Pflege und dem Erhalt der Kulturlandschaft spielen. Sie freue sich, dass mit Tobias Fauser ein junger Landwirt in den Gemeinderat gewählt wurde, der sich für deren Belange einsetzen kann.
Organisator Rolf Vincon gab seinen Kollegen noch die Bitte mit auf den Heimweg, mehr Rücksicht auf Fußgänger und Radfahrer zu nehmen, die auch die Feldwege nutzen. „Fahren Sie auch mal einen Kilometer mit dem Trekker hinter einem Radfahrer her, weil er Sie wegen den dröhnenden Ohrhörern seines Smartphones nicht bemerkt“, sagte Vincon. Nicht zuletzt dankte der Ortsobmann den Landwirten für ihre Unterstützung bei den bundesweiten Protestaktionen der Bauernschaft im Frühjahr.
Das Kitz-Rettungsteam der Kreisjäger-vereinigung ist telefonisch erreichbar unter der Nummer: 0157/38165842.