Der Autoverkehr mit vielen Dieseln ist Hauptquelle des Stickoxids. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Wirkungsgutachten für neue Maßnahmen zur Luftreinhaltung sieht vor, bei Feinstaubalarm schon ab dem 1. Janaur 2018 Autos ohne Blaue Plakette aus Stuttgart auszusperren.

Stuttgart. - Sollte es auf Bundesebene zur Einführung einer Blauen Plakette für besonders schadstoffarme Autos kommen, will die Landesregierung diese bereits 2018 in Stuttgart einsetzen. Vom 1. Januar 2018 an dürften damit an Feinstaub-AlarmtagenDieselfahrzeuge, deren Abgasreinigung nicht mindestens der Euronorm 6 genügt, nicht mehr in den Talkessel einfahren. Betroffen wären auch Besitzer von Benzinern, die unter Euro 3 liegen.

Der frühestmögliche Einsatz der Plakette ist das wesentliche Fazit des neuen Wirkungsgutachtens zur Luftreinhaltung. Das Papier wird an diesem Dienstag im Umweltausschuss des Gemeinderates (8.30 Uhr im Rathaus) vorgestellt. Um 15.30 Uhr will Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) es der CDU-Landtagsfraktion erläutern. Die hat Beratungsbedarf. Ihr bleibt wenig Zeit, denn das Landeskabinett mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) steht unter dem Druck der EU und des Verwaltungsgerichts Stuttgart.

Regierung unter Druck

Die Regierung will die leidige Luftschadstoff-Diskussion am 21. Februar im Ministerrat beenden. Sie muss vor Gericht nach Fristverlängerungen Stellung zur Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nehmen. Die pocht auf die „schnellstmögliche Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte im gesamten Stadtgebiet“. Auch in Düsseldorf klagte die DUH und erreichte ein Fahrverbotsurteil für alle Diesel. „Schnellstmöglich“ definierten die Richter dort mit „etwa einem Jahr“. Das Urteil wird vom Bundesverwaltungsgericht überprüft.

Im Wirkungsgutachten zur Fortschreibung des Stuttgarter Luftreinhalteplans werden zwar auch einige Einzelmaßnahmen zur Reduzierung von Feinstaub und Stickstoffdioxid dargestellt, es hebt aber zentral auf die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) abgelehnte Blaue Plakette ab. Thomas Strobl soll nun zusammen mit Kretschmann bei Kanzlerin Angela Merkel für diese Plakette werben. Strobls Schützenhilfe ist Teil eines Kompromisspakets der grün-schwarzen Landesregierung. So könnte für die CDU zum Beispiel die umstrittene Nord-Ost-Tangente, also eine Umgehungsstraße bei Fellbach, wieder ins Spiel gebracht werden.

Komplettes Diesel-Verbot nicht verhältnismäßig

In der CDU gibt es wenig Zuversicht, dass Strobls Vorstoß zum Erfolg führt. Wenn die Blaue Plakette nicht kommt, müsste, heißt es im Haus von Winfried Hermann, „Plan B“ greifen: ein Durchfahrtsverbot für alle Diesel außer Euro 6. Dazu würde das bestehende Verkehrsschild mit einem Zusatz ausreichen. In dem Fazit zum Wirkungsgutachten wird diese Möglichkeit aber gar nicht erwähnt.

In Stuttgart wurde 2016 der EU-Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid an rund 70 Kilometer Straßen überschritten, für Feinstaub an vier. Das Gutachten zeigt, um wie viel Prozent die Strecken reduziert werden könnten. Ein Durchfahrtsverbot für alle Diesel würde die Strecken beim Stickoxid um 92 Prozent und beim Feinstaub um 15 Prozent kürzen. Die Werte liegen leicht über denen der Blauen Plakette. Bei einem totalen Diesel-Verbot sei aber die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben.

BUND drängt zur Entscheidung

Im Juli 2015 hatte die Landesregierung, damals Grün-Rot, gegenüber der mit einer Klage drohenden EU auch die Variante eines wechselnden Fahrtsverbots für gerade und ungerade Kennzeichen genannt. Das würde laut Gutachten 30 Prozent weniger Fahrten bringen, die Überschreitungen aber nur an drei bis vier Prozent der Straßenabschnitte unter die Grenzwerte drücken. Man wolle alle Änderungen der EU kundtun, heißt es im Verkehrsministerium. Alle Regelungen müssten „von der ganzen Regierung getragen werden“.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat die Landesregierung am Montag aufgefordert, Fahrverbote zu beschließen, die bereits ab 15. Oktober 2017 für alle Diesel außer Euro 6 gelten sollen. „Die Zeit des Aussitzens ist vorbei“, sagt BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender.