Auf dem Weg zur umstrittenen Demo auf der B 14 am Neckartor. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Demonstration auf der teilweise gesperrten Bundesstraße 14 hat eine heftige Debatte über deren Beitrag zum Feinstaub ausgelöst. Experten sagen, die Schadstoffwerte seien deswegen nicht gestiegen.

Stuttgart - Ist die Bürgerinitiative Neckartor mit ihrer Demonstration am Montagabend auf der B 14 für die katastrophalen Feinstaubwerte an diesem Tag verantwortlich? Diese Frage hat am Dienstag den Technikausschuss des Gemeinderates genauso beschäftigt wie die Nutzer von sozialen Netzwerken. Die Antwort lautet nein.

CDU-Fraktionschef Alexander Kotz sagte, die Situation am Montag sei für ihn so ähnlich gewesen, „wie wenn man für Vegetarismus demonstriert und sich einen Schweinebraten servieren lässt“. Bernd Klingler (AfD) war der Ansicht, die Demonstranten, die einen Stau auslösten, hätten paradoxerweise für die sehr hohen Schadstoffwerte gesorgt. Die Nachrichtenagentur dpa verbreitete folgende Kunde: „Ursache für die hohe Konzentration war wohl ein durch die Proteste am Montag verursachter Stau.“ Doch das war eine Falschmeldung.

Landesanstalt sorgt für Aufklärung

Die Landesanstalt für Umwelt und Messungen (LUBW) sorgte auf Anfrage für Aufklärung. Die Feinstaubwerte – zugelassen sind im Tagesmittel 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft – strebten schon lange vor der Demo in Richtung 100 Mikrogramm. Nach 24 Stunden hatte sich für Montag ein Mittelwert von 128 Mikrogramm ergeben.

„Feinstaub ist zum Teil durch Aufwirbelung und zum Teil durch den Abrieb von Reifen und Bremsen verursacht. Wenn der Verkehr steht, gibt es weniger Aufwirbelung und Abrieb, das heißt, ein hoher Wert resultiert nicht durch Stau“, sagt Wilfried Weiß, der Leiter des Referates Luftqualität bei der LUBW. Bei einem Stau dürfte die Konzentration nicht ansteigen, so Weiß.

BUND: Effekt durch weniger Autos

Auch beim Schadstoff Stickstoffdioxid, der aus der Verbrennung entsteht, sei der Wert bei einem Stau oder bei gleichmäßigem Verkehrsfluss niedriger als bei dauernden Halte- und Anfahrvorgängen. Im Leerlauf entstehe eine geringere Konzentration als bei Stop-and-go. Grundsätzlich ist die Stickoxid-Konzentration am Neckartor im aus der Stadt abfließenden Berufsverkehr in der Zeit von 17 bis 18 Uhr am höchsten. Das weisen die dieser Zeitung vorliegenden Messprotokolle der LUBW vom 31. Oktober bis 21. November aus. Am Montag sank der Stickoxidwert während der Demo, bei der eine Fahrtrichtung der B 14 komplett gesperrt war, von 144 auf 120 Mikrogramm. Um 19 Uhr, als die Autos wieder rollten, wurde das Tagesmaximum von 167 Mikrogramm gemessen. Um 20 Uhr stand die Anzeige bei 139 Mikrogramm.

Die Werte seien ein Hinweis, dass die Luftprobleme nur über eine deutliche Verkehrsreduzierung in den Griff zu bekommen seien, hieß es beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die Bürgerinitiative fordert sofortige Fahrverbote. OB Fritz Kuhn (Grüne) will sie vermeiden und setzt mit dem Feinstaubalarm auf den freiwilligen Umstieg.

Kehren bringt keine Besserung

Ein Thema im Ausschuss war auch die Frage, ob mit neuer Kehr- oder Luftreinigungstechnik am Neckartor Besserung möglich sei. Stadtklimatologe Ulrich Reuter verneinte. Bisherige Versuche hätten keinen Effekt erbracht. Die winzigen Partikel in der Luft könnten damit nicht gefangen werden. Die Prüforganisation Dekra hält eine Verbesserung durch Reinigung für möglich. Kuhn will darüber mit der Dekra sprechen.

Ärger verursachten am Dienstag auch Häckselarbeiten am Waldfriedhof, die zu Staus führten, und die Wartung von Ampelanlagen an der Heilmannstraße und am Neckartor. Die Wartung sei abgestimmt, die Häckselarbeiten vor zwei Monaten ausgeschrieben worden und nicht verschiebbar, teilte die Stadtverwaltung mit. Autofahrer hätten aber die Möglichkeit, kurzfristig zum Sonderpreis auf Bus und Bahn umzusteigen. Der Feinstaubalarm gilt weiter bis mindestens Freitag, weil der Luftaustausch schlecht bleibt.