Die Stadt hat für Donnerstag den ersten Feinstaubalarm ausgerufen. Foto: dpa

Erstmals in diesem Herbst löst die Landeshauptstadt Feinstaubalarm aus. Autofahrer sollten ihren Wagen stehen lassen und Bus und Bahn nutzen. Die Grünen im Stuttgarter Gemeinderat fordern, Tempo 80 auf der A 8 zu prüfen.

Stuttgart - Von Donnerstag, 0 Uhr, an gilt der erste Feinstaubalarm der neuen Saison in Stuttgart. Mit freiwilligen Maßnahmen soll der Gehalt von Feinstaub und Stickstoffdioxid in der Luft unter die EU-weiten Grenzwerte gedrückt werden. Stadtverwaltung, Verkehrsministerium und Regierungspräsidium hoffen so, verbindliche Fahrverbote ab 2018 noch abwenden zu können. Das Ende dieser ersten Alarmphase ist offen.

Die Behörden hatten von Januar bis zum 15. April erstmals einen Versuch durchgeführt, der aber kaum eine Reduzierung der Verkehrsmenge brachte. Außerdem gab es Tage mit starken Überschreitungen, für die kein Alarm ausgerufen worden war. Als Konsequenz sind die Kriterien für eine höhere Treffsicherheit überarbeitet worden: Wenn die Feinstaubkonzentration am Neckartor mehr als 30 Mikrogramm erreicht und Regen fehlt, kann der Alarm ausgelöst werden. Die Grenze von 30 Mikrogramm ist seit Sonntag überschritten.

„Nach der wechselhaften Witterung mit Regenfällen kommen wir nun unter den Einfluss von Hochdruck. Das bedeutet kühle und vor allem trockene Witterung. Auch wird es windschwach, und Inversionen treten auf. Der Luftaustausch geht deutlich zurück“, erläutert Stadtklimatologe Ulrich Reuter vom Amt für Umweltschutz den Mechanismus, der zu dicker Luft führt. Beim Feinstaub wurden die Grenzwerte am Messpunkt Neckartor bis zum 27. September an 34 von 35 pro Jahr erlaubten Tagen gerissen.

Zur Linderung verschreibt die Verwaltung die gleichen Mittel wie zu Jahresanfang, schafft aber auch neue Anreize. Fahrzeuge sollen ab Donnerstag, 0 Uhr, möglichst stehen bleiben, Komfortkamine schon am Mittwoch ab 18 Uhr nicht mehr angefeuert werden. Erwachsene können während des Alarms im Gebiet des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS) erstmals ein Kinderticket kaufen, also zum halben Preis fahren. Die Daimler-Tochter Car2go verbilligt ihre Elektrosmarts auf 19 (statt 29) Cent pro Minute, die Daimler-Tochter Moovel verlost über ihre App kostenlose Tickets und verspricht eine 50-Prozent-Chance für die Freifahrt. Die haben Mitarbeiter von Porsche sowieso. Während des Alarms gilt ihr Mitarbeiterausweis als Fahrschein. Weil Kunden des VVS-Jahresabos bei der neuen Aktion leer ausgehen, erhalten sie eine Eintrittskarte zum kostenlosen Besuch des Fernsehturms.

Schon an 34 Tagen Überschreitungen

Mit dem Appell zum freiwilligen Umstieg sollen verbindliche Fahrverbote vermieden werden. Wegen dauernder Grenzwertüberschreitungen hat die EU ein Strafverfahren gegen Deutschland eingeleitet und droht mit Klage. Zwei Anwohner des Neckartores haben außerdem in einem Vergleich vor dem Verwaltungsgericht erreicht, dass die Verkehrsmenge am Messpunkt 2018 dann um 20 Prozent reduziert werden muss, wenn 2017 die Grenzwerte gerissen werden. Der Alarm sei ein Instrument, Verkehrsbeschränkungen zu vermeiden, sagt OB Fritz Kuhn (Grüne). Er will „das Thema Luftreinhaltung zu einer Bewegung in unserer Stadt machen“.

Die Grünen im Gemeinderat haben am Dienstag Temporeduzierungen beantragt. Der Rat solle über Tempo 80 auf Stuttgarts Autobahnen – die A 831 und die A 8 zwischen dem Stuttgarter Kreuz und Plieningen – abstimmen. Auf der B 14 am Kappelbergtunnel solle das genehmigte Limit von 80 Kilometern pro Stunde endlich umgesetzt werden. Die Grünen begründen ihre Forderung mit dem Wirkungsgutachten des Landes. Es weist nach, dass Tempo 50/60 auf Außerortsstraßen die Stickoxidwerte um sechs Prozent senken kann. Eine ähnlich hohe Reduzierung wird nur für die City-Maut im Talkessel und ein absolutes Dieselverbot an Alarmtagen nachgewiesen.

Der Stuttgarter Haus- und Grundbesitzerverein hat OB Kuhn am Dienstag scharf angegriffen. Der „Feinstaub-Alarmismus beschmutzt das Image von Stuttgart“, sagte der Vorsitzende Klaus Lang. Er habe den Verdacht, dass „die Situation bewusst dramatisiert wird, um das Auto zu diskreditieren“. Kuhn solle sich dafür einsetzen, dass das VVS-Firmenticket auch Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern erhalten können. Die Stadt solle mit den Eigentümern über den Kauf und die Umnutzung von Wohnhäusern am Neckartor sprechen. Es dürfe „keine Denkverbote geben“.