An den Unterstand auf dem Birkacher Friedhof ist eine Leichenhalle angedockt. Dieses kleine Natursteinhaus ist denkmalgeschützt – und genau das bereitet Probleme. Foto: Julia Bosch

Aus Denkmalschutzgründen soll eine Seite der Feierhalle auf dem Friedhof in Stuttgart-Birkach offen bleiben. Das bringt viele auf die Palme. Nun wird über rechtliche Schritte nachgedacht.

Birkach - Die Birkacher und ihre Feierhalle: Manchmal erscheint das wie eine Never-Ending-Story, eine niemals enden wollende Geschichte. Obwohl auf dem Friedhof in Birkach 2018 lediglich 37 Bestattungen stattfanden – und davon nur neun in der sogenannten Feierhalle – polarisiert der Unterstand auf Stelzen wie kaum ein anderes Thema im zweitkleinsten Stadtbezirk Stuttgarts. Weil sich Bürger und Lokalpolitiker in den vergangenen Jahren so massiv über die Aussegnungshalle beschwert hatten, hat der Gemeinderat Ende 2017 insgesamt 60 000 Euro für einen Umbau locker gemacht. Von dem Geld sollten Beerdigungsgäste besser vor Wind, Regen und Kälte geschützt werden.

Tatsächlich wurden aber lediglich an den Seiten des Unterstands Glasscheiben eingesetzt. Da daraufhin massiv Protest von den Bürgern und Bezirksbeiräten kam, wurden die Glasscheiben vor Kurzem nach unten hin abgedichtet und auch noch mit einer Schutzfolie für Vögel beklebt, damit diese nicht gegen das Glas fliegen und dabei verenden. Außerdem wurden Holzbänke statt der bisherigen Eisenbänke in die Feierhalle gestellt. Die Lokalpolitiker und viele Bürger wollen sich damit jedoch nicht zufriedengeben. Nach der hohen Platzierung im Bürgerhaushalt und den langwierigen Diskussionen hatten sie erwartet, dass der Unterstand zu allen Seiten vollständig mit Glaswänden versehen – oder eine ganz andere Lösung gefunden wird.

Notfalls wollen die Lokalpolitiker gegen Denkmalschutz klagen

Laut Stadt kann die Frontseite jedoch nicht verschlossen werden: Das Baurecht sowie bauphysikalische Gründe würden dagegen sprechen, sagte kürzlich eine Sprecherin der Stadt zu unserer Zeitung. Doch als Hauptursache gilt der Denkmalschutz. Der Unterstand ist an die Leichenhalle angedockt – und dieses kleine Natursteinhaus ist denkmalgeschützt. Das hat Auswirkungen auf den gesamten Unterstand.

„Das Denkmalamt ist nicht die letzte Instanz. Notfalls können wir klagen“, sagte Thomas Plagemann (Bündnis 90/Die Grünen) in der jüngsten Bezirksbeiratssitzung. Er wohne selbst in einem denkmalgeschützten Haus und habe schon mehrfach gegen Bestimmungen aus Gründen des Denkmalschutzes geklagt – und jedes Mal recht bekommen. Die übrigen Mitglieder des Bezirksbeirats zeigten sich offen für die Möglichkeit einer Klage. Bevor sie aber ihre rechtlichen Schritte ausloten, wollen sie es zunächst mit einem Antrag an die Stadt versuchen. In diesem fordern sie, dass auch die Frontseite verglast wird. „Es ist völlig unmöglich, dass die Verglasung nur an fünf Öffnungen links und rechts angebracht ist, nicht aber an der vordersten“, heißt es.

Bereits ein Jahr nach dem Bau kamen Bedenken

Der Birkacher Günter Seyfferth setzt sich seit Jahren für eine würdige Feierhalle ein. Er sagt: „Man hat von Anfang an das Verlangen der Birkacher missachtet.“ Der ehemalige Stuttgarter Wirtschaftsbürgermeister und Birkacher Rolf Lehmann äußert sich versöhnlicher: „So, wie es jetzt aussieht, ist es eigentlich gut. Aber es ist eine Idiotie, dass die Seiten verschlossen wurden, nicht aber die Frontseite.“

Die Geschichte der Feierhalle auf dem Birkacher Friedhof ist eine lange; sie nahm ihren Anfang vor 21 Jahren. Die Bezirksvorsteherin Andrea Lindel gewährte in der Sitzung am Montag einen kurzen Einblick in die Historie: 1998 fragte der damalige Bezirksvorsteher von Plieningen und Birkach, Gerhard Schumacher, zum ersten Mal beim Garten-, Friedhofs- und Forstamt an, ob man auf dem Birkacher Friedhof nicht eine Art Vorstehdach bauen könnte, damit die Trauergäste zumindest etwas vor der Witterung geschützt werden. Im Sommer 1999 war das Dach auf Stelzen fertiggebaut – und schon im darauffolgenden Jahr äußerten die Bezirksbeiräte erstmals Bedenken.

Die Argumente sind dieselben geblieben

Die Argumente, die damals vorgebracht wurden, sind die gleichen wie heute: Wenn es bei einer Beerdigung regnet, stark windet oder schlicht kalt ist, ist es ungemütlich in dem Unterstand. Das sei einer Beerdigung nicht würdig. 2002 ploppte erstmals das Thema Denkmalschutz auf; drei Vorschläge, wie nachgebessert werden könnte, wurden deshalb nicht weiterverfolgt.

Im Jahr 2017, bei einem Rundgang durch Birkach mit dem Bürgermeister Fabian Mayer, wurde erstmals ein Neubau der Feierhalle thematisiert. Trotz einer hohen Platzierung beim Bürgerhaushalt und langen Diskussionen in diversen Gremien wurden schlussendlich aber nur Nachbesserungen beschlossen. „Die Fachämter haben das ausgeführt, was der Gemeinderat entschieden hat“, sagte Lindel. Und damit wollen sich die Birkacher nicht abfinden.