Kai Rosenberger ist seit Ende vorigen Jahres neuer Vorsitzender des Beamtenbundes im Land. Foto: BBW

Beschädigen die Abrechnungsfehler im Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV), die das Land mehr als 50 Millionen Euro kosten können, den Ruf der gesamten Landesverwaltung? Der Beamtenbund warnt vor einer kollektiven Verteufelung der LBV-Mitarbeiter.

Stuttgart - Das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) ächzt unter großer Belastung: „Zurzeit erreicht uns eine weit überdurchschnittliche Zahl von Anrufen“, heißt es auf der Website. „Trotz Verstärkung unserer Serviceplätze können wir diese (. . .) leider nicht alle zeitnah bewältigen.“ Wenn es mal das einzige Problem wäre. Das in Fellbach angesiedelte Amt steht gehörig unter Druck. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht im Zusammenhang mit der fehlerhaften Lohnsteuerabführung sogar den Ruf der Landesverwaltung gefährdet.

„Nur ein sehr kleiner Bereich“

Die Bediensteten fühlen sich offenbar derart in der Defensive, dass sich der Beamtenbund Baden-Württemberg (BBW) in die Diskussion einmischt – gewiss auch auf Drängen aus dem Landesamt heraus. Landesbund-Vorsitzender Kai Rosenberger begrüßt gegenüber unserer Zeitung die Einrichtung einer Revisionsgruppe, die sicherstellen soll, dass sich die festgestellten Fehler in Zukunft nicht wiederholen. Er wolle diese keinesfalls kleinreden. Diese müssen „unbedingt aufgearbeitet und korrigiert werden“, sagt er. „Es ist aber nur ein sehr kleiner Bereich, in dem hier etwas falsch gelaufen ist.“ Man solle „nicht aus dem Blick verlieren, dass die Beschäftigten in ihrem originären Aufgabengebiet seit Jahren hervorragende Arbeit leisten“. Die Aufträge bei Besoldung, Versorgung, Beihilfe, Dienstreisemanagement oder Kindergeld „erfüllt das LBV seit vielen Jahren bestens“. Trotz Personalmangels habe das LBV hier einen hervorragenden Ruf.

Die gesamte Behörde in Misskredit gebracht

„Der BBW bedauert, wenn die gesamte Behörde in Misskredit gebracht wird“, betont Rosenberger – was als Seitenhieb auf den Ministerpräsidenten verstanden werden kann. Indem zum Beispiel die Lebenserwartung steige, müsse für die Pensionäre länger Versorgung und Beihilfe berechnet und ausbezahlt werden. Auch steige im öffentlichen Dienst die Teilzeitquote stetig an. Dies führe zu einer größeren Zahl von Beschäftigten, was ebenso Mehrarbeit im Landesamt bedeute. „Ich weiß von Beschäftigten, dass eine große Zahl von Bediensteten in den Monaten Februar und März 2018 freiwillig am Samstag gearbeitet haben, um die längeren Bearbeitungszeiten bei der Beihilfe zurückzufahren“, schildert der Landesbund-Chef.

„Vergleichsweise schlechte Beförderungsperspektiven“

Als nach dem Hackerangriff Anfang Januar das gesamte EDV-System und auch das Kundenportal neu installiert wurden, mussten sich alle Kunden online neu registrieren. Dabei haben offenbar gerade viele Versorgungsempfänger Probleme gehabt. Für eine Neuregistrierung sind in der Regel lediglich fünf Minuten ausreichend, doch in Einzelfällen ergab sich ein telefonischer Betreuungsaufwand von 30 Minuten pro Kunde, wenn sich diese im Umgang mit Computer weniger erfahren zeigten. Knapp hundert Beschäftigte des LBV unterstützen hier solidarisch ihre Kollegen in der telefonischen Kundenbetreuung. „Dies spricht für die gute Moral“, meint Rosenberger – trotz „vergleichsweise schlechter Beförderungsperspektiven“.

Das Landesamt für Besoldung und Versorgung hatte Lohnsteuer zwischen 2008 und 2014 doppelt abgeführt, so dass 95,7 Millionen Euro zu viel bezahlt wurden. Zudem wurden vor 2008 Lohnsteuerbeträge nicht abgeführt: Auf einem Sonderbuchungskonto wurden 141 Millionen Euro mehr festgestellt, als es hätten sein dürfen. Die Staatsanwaltschaft prüft den Fall.