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Betretene Mienen bei der Wahlparty der Stuttgarter Liberalen in der Gaststätte Kachelofen.

Stuttgart - In der Weinstube Kachelofen, dem Wahlparty-Lokal der Stuttgarter FDP, werden kurz vor 18 Uhr gelb-blaue Papierfähnchen verteilt. Fähnchen stecken auch mit gelben Tulpen in den Blumenvasen auf den Tischen der Gaststätte hinterm Rathaus. Noch hofft die FDP, dass es entgegen aller Prognosen etwas zu feiern gibt. Bruchteile von Sekunden nach 18 Uhr stirbt diese Hoffnung und Entsetzen spiegelt sich in den Gesichtern. Einen Moment lang sind alle wie gelähmt. Und in dem Lokal ist es so still, dass man jedes leise Hüsteln hört. Dann löst sich die Starre und es ist klar, dass es von vier Stuttgarter Kandidaten, drei auf keinen Fall in den Landtag kommen. Gabriele Heise, die für den Wahlkreis Stuttgart II kandidiert hat, hatte zumindest noch etwas länger Hoffnung. Auch für sie reicht es nicht.

"Demokratie heißt Macht auf Zeit", sagt FDP-Stadträtin Rose von Stein und bemüht sich um Fassung. Und der Kreisvorsitzende und Landtagskandidat im Wahlkreis Stuttgart I, Armin Serwani, ergänzt: "Eine Demokratie lebt vom Wechsel." Obwohl das tapfer und gefasst klingt, ist die Enttäuschung nicht zu überhören. Mit Verlusten haben die meisten FDP-Mitglieder zwar gerechnet. Dennoch haben sie ein Wahlergebnis "zwischen sechs und sieben Prozent" erwartet. "Es ist wie im Lotto. Man hofft alles zu gewinnen - und weiß genau, dass das unrealistisch ist", sagt einer und verlässt die Party, die keine ist, kurz nach 18 Uhr.

Apotheker Matthias Oechsner räumt ein, dass die rund fünf Prozent seiner Partei eine bittere Pille für ihn sind. Er kandierte für den Wahlkreis Stuttgart III. "Zum letzten Mal haben wir 1972 einen Kandidaten aus dem Stuttgarter Norden im Landtag. Ich hatte von vornherein kaum Chancen", sagt der 45-Jährige. Auch wenn das Wahlergebnis kein Grund zu feiern ist, gibt es Sekt im Kachelofen. Allerdings dauert es eine Weile, bis Kreis-Chef Serwani den Schock verdaut hat und "den tollen, fairen Wahlkampf seiner Partei und aller Wahlhelfer" lobt und die Sektbestellung aufgibt. Das schlechte Abschneiden der Partei hat laut Serwani zumindest für die Stuttgarter FDP keine Konsequenzen. "Meinen Kopf hat noch niemand gefordert, und ich werde am kommenden Donnerstag wieder als Kreisvorsitzender zur Wahl stehen", versichert er seinen Parteifreunden.

Als das Tablett mit dem Sekt herum gereicht wird, macht sich Kandidat Michael Marquardt schnell aus dem Staub. Mit seiner Enttäuschung über die Wahl habe das nichts zu tun. Er trinke generell keinen Alkohol, sagt er und gesteht, dass er so wenig wie Oechsner mit einem Sitz im Landtag gerechnet hat - "obwohl man immer hofft".

Am längsten am Wahlsonntag gehofft hat Gabriele Heise. Selbst nach den ersten Hochrechnungen gab sie sich noch zuversichtlich, dass es mit dem Einzug in den Landtag klappt. Doch im Laufe des Abends zerschlagen sich die Hoffnungen. "Ich werde von morgen an wieder telefonisch in meiner Kanzlei zu erreichen sein", stellt die Juristin um 21.45 Uhr fest und geht davon aus, dass ihre "Chancen definitiv" geplatzt sind. Damit ist das Debakel für die Stuttgarter FDP perfekt. "Wir sind ziemlich entsetzt und bedröppelt, zumal wir in Stuttgart ein gutes Ergebnis haben", sagt Serwani.

Im Kachelofen wird derweil statt Sekt ein roter Cocktail mit grünen Röhrchen serviert. Eine Anspielung auf das Wahlergebnis? "Nein. Wir wollen nur mal was anderes ausprobieren", sagt eine FDP-Frau und hält trotzig das Papierfähnchen hoch. Nach Jahrzehnten was anderes ausprobieren, das wollen zum Leid der FDP auch die Wähler.