Die Südwest-FDP-Spitze in Fellbach: Hans-Ulrich Rülke und Michael Theurer Foto: dpa

Unter den 400 Delegierten beim FDP-Landesparteitag finden sich nur wenige, die Zweifel am Kurs dere Bundespartei äußern. Eine Jamaika-Koalition sei ein „Fluch der Karibik“, sagte FDP-Fraktionschef Rülke.

Fellbach - Dem von FDP-Bundesparteichef Christian Lindner eingeschlagene Kurs zur harten Verteidigung liberaler Positionen in Koalitionsgesprächen ist beim Landesparteitag der baden-württembergischen FDP in Fellbach weitgehend gefolgt worden – mit wenigen Ausnahmen. Akzeptiert und von den liberalen Führungskräften – Landeschef Michael Theurer und Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke – auch intensiv verteidigt worden ist der Beschluss zum Abbruch der Jamaika-Gespräche. „Sowohl Grüne als auch FDP haben auf eigene Art einen Modernisierungsauftrag, aber er scheiterte am plumpen Weiter-so der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel“, sagte Theurer. Jamaika wäre nur möglich gewesen, „wenn wir uns aufgegeben hätten“.

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Gerade die Südwest-Liberalen, die sich 2016 der „Ampel“ in Stuttgart verweigert hatten, seien „ein Glaubwürdigkeitsanker“ in der Bundes-FDP. Als er 2013 zum Landesvorsitzenden gewählt worden sei, habe die Partei in den Umfragen übrigens bei drei Prozent gelegen und sei bundesweit gar nicht wahrnehmbar gewesen, dann habe sie bei der „Eisbrecherwahl“, der Landtagswahl 2016, mit 8,3 Prozent ein „exzellentes“ Ergebnis erzielt. Und bei der Bundestagswahl sei das baden-württembergischen FDP-Ergebnis nach Nordrhein-Westfalen das zweitbeste in einem Bundesland gewesen. Jamaika, so Theurer, sei nicht „neu gedacht“ worden, und zitierte damit ein häufig von Parteichef Lindner gebrauchtes Wort. Rülke sagte, die Jamaika-Koalition sei kein Sehnsuchtsort gewesen, eher handele es sich um einen „Fluch der Karibik“.

Neu über Personalien nachdenken

In der allgemeinen Aussprache äußerten nur zwei von sieben Rednern leichte Zweifel an Parteichef Lindners Vorgabe, sich auch nach einem möglichen Scheitern von Sondierungen für eine Große Koalition erneuten Gesprächen über „Jamaika“ in dieser Legislaturperiode zu verweigern. Wolfgang Weng (Ludwigsburg) sagte, „wenn die GroKo scheitert, muss neu nachgedacht werden – auch über Personen“. Weng bezeichnete es auch als einen Fehler, dass Liberale bei den Sondierungen in Berlin über Jamaika noch kurz vor Schluss der Gespräche den Eindruck erweckt hätten, die Einigung sei nahe: „Wer als erster vom Tisch aufsteht, der gerät immer in Erklärungsnot.“

Im übrigen äußerte sich Weng ironisch über ein Wort von Lindner, dass es besser sei, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Weng wortwörtlich: „Noch besser ist es, richtig zu regieren.“ Auch Rudi Rentschler (Nagold) kritisierte, dass „eine Richtungsvorgabe schon jetzt nicht richtig“ sei: „Die Parteimitglieder müssen mit eingebunden werden. Wir sind das Volk!“ Ähnlich hatte sich Hartfried Wolff, Vorsitzender des FDP-Bezirksverbandes Region Stuttgart am Donnerstag gegenüber den „Stuttgarter Nachrichten“ geäußert und „baldmöglichst“ neue Sondierungen mit Union und Grünen verlangt, sollte die Groko scheitern.

Bei der großen Mehrheit der rund 400 Delgierten in der Fellbacher Schwabenlandhalle überwog allerdings die Einschätzung, dass die Liberalen in der aktuellen Lage „Rückgrat und Prinzipientreue“, zeigten, wie es Wolfgang Allehoff (Liberale Senioren) formulierte. Auch der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Valentin Christian Abel, meinte, dass viele Liberale sich die Regierungsbeteiligung zwar gewünscht hätten, die Trendwende mit Union und Grünen aber nicht machbar gewesen sei: „Es ging einfach nicht.“ Abel lobte die Neuaufstellung und das stimmige Bild, das die FDP in ihren jüngsten Wahlkampagnen abgegeben habe: „Wir treten bundesweit geschlossen auf, die halb feudalen, kleinstaatlichen Strukturen in der Partei haben wir nicht mehr.“ Gerade bei den Jüngeren finde die FDP jetzt Anklang, 14 Prozent der Wähler unter 35 Jahren hätten die Liberalen gewählt.

Diskussion um Ganztagsschule

Um die Jugend, besser gesagt um das Schulsystem, ging es auch beim landespolitischen Schwerpunkt des Parteitages: Timm Kern, der bildungspolitische Sprecher der FDP, stellte einen Leitantrag vor, mit dem Baden-Württemberg wieder das „weltbeste Bildungssystem“ erhalten solle. So sollen Eltern und Schulträger mehr Entscheidungsfreiheit erhalten. 48 Prozent der Eltern wünschten sich, so Kern, freiwillig auch Nachmittagsangebote der Ganztagsschule für ihre Kinder in Anspruch nehmen zu können. „Heute heißt es, Ganztagsschule ganz oder gar nicht“, so Kern, das müsse sich ändern.

Auch die Schulen sollen „freier“ werden, beispielsweise eine „eigenständige Personalentwicklung“ zu betreiben. „Vor allem Rot-Grün hat die goldenen Zügels durch das Land gegenüber den Schulen eingeführt, wir wollen wieder mehr Eigenverantwortung für die Schulträger“, sagte Kern. Mit der CDU und den Grünen gebe es nur eine Bildungspolitik des „kleinen, gemeinsamen Nenners“. Aufhören müsse auch die Privilegierung der Gesamtschulen. Kern: „Wir wollen ein differenziertes Schulsystem, eine passende Schule für jedes Kind statt einer Schule für alle.“ Auch ein Hauptschüler könne und müsse über Bildungserfolge motiviert können, etwa über eine berufliche Ausbildung, das Nachholen der Mittleren Reife oder des Abiturs.

Ein Antrag, dass die „Doppelstruktur“ von G 8 und G 9 im Land abgeschafft werde, fand bei den Delegierten keine Mehrheit. Trotz Kritik wurde festgehalten an einem Passus, wonach auf die „kostspieligen Gemeinschaftschul-Oberstufen“ verzichtet werden solle, da sie den Beruflichen Gymnasien „sinnlos“ Konkurrenz machten.