FDP-Chef Guido Wetserwelle Foto: dpa

FDP-Parteichef Guido Westerwelle findet keine Antworten auf die tiefe Krise der Liberale.

Berlin - Guido Westerwelle unter Druck: Alle Bemühungen um ein neues Image haben nichts genutzt, in der Partei rumort es, und in Umfragen wollen die Wähler nichts mehr von der FDP wissen. Die Wikileaks-Enthüllungen zerstören den letzten Rest an außenpolitischem Ansehen.

Vom ehemals erfolgreichen Fußballer Jürgen Wegmann stammt die unvergessliche Analyse: "Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch das Pech dazu." Ein ehemals erfolgreicher Politiker der Gegenwart hätte dieser Tage Grund gehabt, den Satz für sich zu reklamieren.

Endlich hat die FDP steuerpolitisch etwas vorzuweisen. Nicht viel vielleicht, aber doch Steuervereinfachungen in nicht unerheblichem Umfang. Und der nun offiziell besiegelte Umbau der Bundeswehr zur Berufsarmee ist keineswegs die Erfindung des umtriebigen Verteidigungsministers, sondern eine liberale Uralt-Forderung. Das ist doch was. Nach all den Monaten der koalitionären Dürre. Ein Guido Westerwelle in Bestform hätte diese Vorlagen zielsicher zu einigen rhetorischen Treffern versenkt. Aber der FDP-Chef und Außenminister ist nicht in Bestform. Manchmal fragt man sich, wie lange er überhaupt noch spielt.

Politischer Leichtmatrose

Westerwelle lebt seit zwei Wochen in einem Albtraum, aus dem er nicht aufwachen kann, weil er leider Wirklichkeit ist. Dringend muss die Partei neues Profil gewinnen, denn im Frühjahr stehen äußerst wichtige Landtagswahlen an - auch im Südwesten. Da kommt es auf jeden Tag an. Doch erst enthüllten die durch Wikileaks veröffentlichten Geheimdokumente, wie Westerwelle als Außenminister in Washington gesehen wird, nämlich genau so, wie ihn einst schon Edmund Stoiber karikiert hatte - als politischen Leichtmatrosen. Dann verhedderte sich der Parteichef bei der Suche nach dem "Maulwurf" aus den eigenen Reihen, der all die Interna an die US-Botschaft ausgetratscht hatte.

Und schließlich bescherte eine jüngste Umfrage der FDP einen Wert unterhalb der Überlebenslinie von fünf Prozent. Längst macht in der Partei die Einschätzung die Runde: Er kann es einfach nicht mehr.

Baden-Württemberg wird zur Schicksalswahl

Bitter für Westerwelle, der sich in der Vergangenheit entgegen seinem Image als beratungsresistenter Selbstdarsteller sehr wohl Kritik zu Herzen genommen hatte. Tatsächlich hatte der Parteichef seinen innenpolitischen Polterkurs vollkommen aufgegeben. Er wollte als Außenpolitiker neue Souveränität ausstrahlen und den innenpolitischen Nahkampf meiden. Daran hat er sich ziemlich strikt bis heute gehalten. Das war nicht ohne Wirkung geblieben. Spätestens nach der Sommerpause fand die Koalition zu einer vernünftigen Zusammenarbeit. Eine Reihe von Reformen, von Atom bis Gesundheit, gingen vergleichsweise geräuschlos über die Bühne. Auch ein Verdienst der neuen Enthaltsamkeit des FDP-Chefs. Der Haken: Ausgezahlt hat sich das für die Freidemokraten nicht. Zu groß ist der Vertrauensverlust aus der katastrophalen Startzeit der schwarz-gelben Regierung. Und ausgerechnet jetzt zerstören die Wikileak-Enthüllungen auch das gerade erst wachsende außenpolitische Ansehen Westerwelles.

Noch blockt Homburger eine Palastrevolution ab

Die Partei ist aufgewühlt. Anfang Dezember schon hatte es handfeste Putschpläne gegen Westerwelle gegeben. Starke Kräfte stehen gegen ihn. Der hessische Landesvorsitzende Uwe Hahn würde Westerwelle lieber heute als morgen loswerden. Sein schleswig-holsteinischer Kollege Wolfgang Kubicki sieht das nicht anders. Auch in der Berliner FDP gibt es solche Kräfte. Für Westerwelle war das alles recht ungefährlich, solange keine Alternative erkennbar war. Seit dem Aufstieg von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle zum Darling der Partei sieht die Sache anders aus. Viele sehen in dem umgänglichen Pfälzer nun einen idealen Übergangskandidaten, bis die Jungen um Generalsekretär Christian Lindner, Gesundheitsminister Philipp Rösler oder den designierten NRW-Landeschef Daniel Bahr zur Übernahme der Macht bereit wären. Brüderle selbst hat durchaus Ambitionen.

Noch kann sich Westerwelle entscheidender Unterstützung sicher sein. Fraktionschefin Birgit Homburger blockt die Versuche zur Palastrevolution ab. Das macht ihr nicht nur Freunde. Aber auch sie muss eigene Interessen verfolgen. Homburger ist Chefin der Südwest-FDP und steht vor Landtagswahlen. Da kann sie keine Unruhe gebrauchen. "Personaldebatten nützen nicht, sie schaden", sagt sie unsrer Zeitung.

Bis zum 27. März also kann Westerwelle seines Amtes noch ziemlich sicher sein. Obwohl es noch immer Versuche gibt, das traditionelle Dreikönigstreffen der Liberalen zum Scherbengericht über den Vorsitzenden zu machen. So weit wird es nicht kommen. Aber Westerwelle weiß auch, dass sich im März im Südwesten sein politisches Schicksal entscheiden wird. Geht die Landtagswahl für die FDP schief, ist Westerwelle als Parteichef nicht mehr zu halten. Im Mai findet der Bundesparteitag statt, und der Zorn wäre noch frisch genug, um den scheiternden Chef vom Hof zu jagen.

Baden-Württemberg wird zur Schicksalswahl

Die Frage ist, welche Messlatte über Erfolg oder Misserfolg bei der Landtagswahl entscheiden soll. Intern kursiert eine Zahl: Sieben Prozent müssten es schon sein. Nach über 10,7 Prozent in 2006. Nicht nur die Parteiführung im Südwesten hält einen pragmatischeren Ansatz für empfehlenswert. Hauptsache Regierungsbeteiligung! Dann kommt es auf das genaue Ergebnis nicht an. Klar ist: Wenn im Stammland der Liberalen die FDP in die Opposition gehen muss, dann braucht die Partei postwendend einen neuen Bundesvorsitzenden.

Und bis dahin? Zur Ruhe kommt die FDP so schnell nicht mehr. Zu viele Strömungen, zu viel Panik, zu viel Fassungslosigkeit über den jähen Absturz aus irrealen Höhen. Der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler hat den "Liberalen Aufbruch" gegründet. Mit ihren libertären Ideen eines Minimalstaates ist die Gruppierung in der Partei vielleicht nicht mehrheitsfähig. Aber ein kleiner Faktor ist sie schon. Schäffler nennt die Initiative eine "Graswurzel-Bewegung".

Auf einer kürzlich eingerichteten Facebook-Seite haben sich schon 800 Unterstützer eingetragen. Schäffler ist kein Frondeur. Aber er kann Nadelstiche setzen. Das tut er gerne. Sein großes Thema ist der Euro. Und der Kampf dagegen, dass Deutschland den Lebensretter für alle Euro-Sünder des Kontinents spielt. Eigentlich, findet Schäffler, auch eine lohnende Aufgabe für Guido Westerwelle. Er sagt das so: "Der Außenminister muss sich in die europapolitische Debatte kämpferischer einmischen. In den Debatten um die Zukunft des Euro muss er stattfinden und die Dinge nicht nur staatstragend begleiten. Da muss man die Sicht der bürgerlichen Wähler im Blick haben." Überhaupt müsse die Partei "erkennbar darauf dringen, dass Bundeskanzlerin und Finanzminister nicht dauernd Grundsätze und EU-Vertragsinhalte aufgeben".

Westerwelle ist abgetaucht. Er muss sich Zeit nehmen, die er eigentlich schon gar nicht mehr hat. Zu Dreikönig will er die Partei noch einmal einschwören: auf den Wahlkampf, auf liberale Grundsätze - und vor allem auf sich.

Uwe Wegmann, der vorübergehend erfolgreiche Fußballer, hatte Borussia Dortmund einmal in aussichtsloser Lage mit einem Treffer den nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt gerettet. Westerwelle braucht jetzt auch schnell ein Tor.