Waldemar Anton ist ein Stützpfeiler in der Stuttgarter Abwehr Foto: Baumann

Neuer gegen Nübel, Kane gegen Guirassy, dazu die Abwehr- und die Mittelfeldzentrale: Wir analysieren vor dem Topspiel zwischen dem FC Bayern München und dem VfB Stuttgart die Schlüsselduelle.

Lange war der Begriff Südgipfel einer aus der Mottenkiste. Wenn der VfB Stuttgart am Sonntag (19.30 Uhr) beim FC Bayern München antritt, werden bei VfB-Fans nostalgische Erinnerungen wach: Erstmals seit gefühlten Ewigkeiten fährt ihr Club nicht mehr als krasser Außenseiter in die bayerische Landeshauptstadt. Das Duell Zweiter gegen Dritter ist in dieser Saison ein wahres Topspiel. Nun werden auch am Sonntagabend Elf gegen Elf auf dem Platz stehen und nicht einzelne Duelle die Partie entscheiden. Wir werfen dennoch einen Blick auf vier Duelle, die am Ende den Ausschlag geben könnten.

 

Tor Der Südgipfel hat auch eine Komponente, die Fußball-Deutschland zumindest an den Stammtischen beschäftigt. Manuel Neuer, einst unangefochtene Nummer eins nicht nur bei den Bayern, trifft auf seinen Kronprinzen, den einst wie auch Neuer vom FC Schalke 04 nach München gewechselten Alexander Nübel, der mittlerweile auf Leihbasis in Stuttgart das Tor hütet. Es ist eine jahrelang andauernde Geschichte voller Wendungen und Volten und einer Quintessenz, die wohl unbestritten ist: Grün werden sich die beiden in diesem Leben nicht mehr. Interessant ist, dass Nübel den Altvorderen Neuer teilweise überholt hat.

Alexander Nübel mit höherem Marktwert als Manuel Neuer

Während einige den 27-Jährigen im Dunstkreis der Nationalmannschaft verorten, mehren sich die Stimmen, die sich fragen, ob der 37 Jahre alte Neuer dort noch hingehört. Nicht nur in Sachen Marktwert (Nübel: acht Millionen Euro, Neuer fünf Millionen), auch in manchen Statistikbereichen hat Nübel die Nase vorn. So konnte er sich bisher sieben Mal eine sogenannte „Weiße Weste“ bewahren, also ohne Gegentor bleiben. Neuer gelang dies dreimal. Einordnend dazu muss man anführen, dass Nübel bisher alle Spiele absolviert hat, Neuer nach langer Verletzung erst seit wenigen Wochen wieder im Tor steht. Das Spiel am Sonntag wird erst das zweite sein, in dem sich die beiden direkt gegenüberstehen. Die Premiere entschied Neuer 2019 klar für sich – 3:0 gewann der FC Bayern damals auf Schalke. Tendenz für Sonntag: ausgeglichen.

Abwehr So ganz ist sich wohl noch nicht einmal Dayot Upamecano sicher, wie er zum Abwehrchef des FC Bayern München geworden ist. Fest steht: der Franzose ist es, spielt Woche für Woche, nur seine Partner ändern sich von Zeit zu Zeit. Auf der Gegenseite ist Waldemar Anton ebenso gesetzt – der in Usbekistan geborene Innenverteidiger ist zusätzlich auch Kapitän bei den Schwaben. Und ein wahrer Krieger.

VfB-Kapitän Waldemar Anton hat noch keine Minute verpasst

Anton geht voran, führt durch Leistung, ist aggressiv im Vorwärtsverteidigen und besticht mit klugen Pässen im Aufbauspiel. Nicht einmal ein Cut am Kopf kann ihn daran hindern, im Gegenteil: Sein Turban-Spiel gegen Bayer Leverkusen (1:1) gehört zu seinen besten in dieser Saison. Am Mittwoch fehlte er erkältet im Training, was ihn aber nicht an einem Einsatz am Sonntag hindern dürfte.

Bei Anton kommt eine beachtliche Leistungskonstanz hinzu. Unterstrichen wird dies noch durch den Umstand, dass Anton bisher als einer der wenigen Feldspieler in der Bundesliga jede Sekunde auf dem Platz stand (1260 Minuten Spielzeit), Upamecano bisher nur 870 Minuten auf der Uhr hat. In der Leistungskonstanz liegt der große Unterschied zwischen den zwei Abwehrkanten. Upamecano ist immer wieder für einen Bock gut und auch keiner, der sich mit aller Macht dagegenstemmt, wenn ein Spiel mal nicht für den FCB läuft – letzte Woche in Frankfurt war das gut zu beobachten. Tendenz: Vorteil VfB.

Mittelfeld Experten haben die Stuttgarter Mittelfeldzentrale, bestehend aus Angelo Stiller und Atakan Karazor, bereits als die beste der Liga bezeichnet. Passmaschine und Zweikampfkönig: zwei, die sich wunderbar ergänzen. In München dagegen ist die Position der Doppelsechs so etwas wie die Achillesferse. Trainer Thomas Tuchel hat die Debatte mit seiner Forderung nach einer „holding Six“ selbst befeuert. Tatsächlich haben die Bayern Probleme mit der Absicherung nach hinten, was nicht zu den Stärken von Joshua Kimmich und auch nicht von Leon Goretzka und Konrad Laimer zählt.

Unter Tuchel gibt es in dieser Saison ein ständiges Wechselspiel vor der Abwehr, beim VfB ist das Pärchen Stiller/Karazor fest gesetzt und eingespielt. Was im direkten Statistik-Vergleich auffällt: Die Stuttgarter Doppelsechs ist aktiver am Spiel beteiligt als die der Bayern. Stiller/Karazor führen mehr Zweikämpfe, laufen mehr und gehen häufiger ins Dribbling als Kimmich und Konsorten. Neben der aktuellen Form und der latenten Unzufriedenheit, die der deutsche Nationalspieler in Diensten des FCB ausstrahlt, geht die Tendenz hier zum VfB.

Angriff Der 18-Tore-Stürmer Harry Kane (30) gegen den 16-Tore-Stürmer Serhou Guirassy (27): Am Sonntag dürfen sich die Fußball-Fans auf das Duell der Ballermänner freuen. Zwar hat Kane nicht nur mehr Tore, sondern auch mehr Vorlagen auf seinem Konto (5:3). Was die reine Spielzeit angeht, ist der VfB-Stürmer aber der effektivere. Er benötigte in dieser Spielzeit nur 55 Minuten für einen Treffer, Kane 63.

Kane oder Guirassy: Wer ist der bessere Torjäger?

Was ihren „Expected Goals“-Wert, also den der zu erwarteten Tore angeht, haben bislang beide deutlich überperformt. Bei Guirassy waren zuletzt aber erste Anzeichen einer Abschlussschwäche nicht zu übersehen. Seit seiner Oberschenkelverletzung hat er vor dem Tor nicht mehr die Selbstverständlichkeit und Abgebrühtheit im Abschluss wie zuvor. Im direkten statistischen Vergleich weisen die zwei Topstürmer in vielen Kategorien ähnliche Werte auf. Nur läuft Harry Kane deutlich mehr als Guirassy, der wiederum eine bessere Passquote als sein Pendant mit der Nummer 9 aufweist. Im Dribbling hat der Engländer die Nase vorn, in der Luft der Guineer. Aufgrund der aktuellen Form in Summe aber: Tendenz FC Bayern.