Einige Fans des FC Bayern unterziehen sich in München vor dem Trip nach Budapest einem Corona-Test. Foto: imago/ActionPictures

Die Ansetzung des Spiels zwischen dem FC Bayern München und dem FC Sevilla im Corona-Risikogebiet Budapest ist bereits vor dem Anpfiff ein Politikum. Und viele Fans geben ihre Tickets zurück.

Stuttgart/Budapest - Die besten Reisewünsche des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der vor einem „Fußball-Ischgl“ in Budapest warnte, brauchte es wohl nicht mehr, um den Champions-League-Sieger zu einem Beschluss für den Trip zum Supercup gegen den FC Sevilla zu veranlassen. „Wir reisen nur mit der absoluten Minimalbesetzung von knapp 30 Leuten nach Budapest“, sagte Herbert Hainer, der Präsident des FC Bayern, vor dem Spiel gegen den Europa-League-Sieger an diesem Donnerstag (21 Uhr) – und stornierte seinen Flug. So ähnlich bewerten auch die übertragenden Sender Sky und Dazn die Lage der Dinge. Sie schicken keine Reporter in Ungarns Hauptstadt.

Lesen sie den Kommentar von Marco Seliger (Plus-Angebot) zum Supercup-Irrsinn

Wenig Begeisterung bei den Fans

Auch bei den Fans des FC Bayern und des FC Sevilla hält sich die Begeisterung über den Kick im Corona-Risikogebiet in Grenzen. Jeweils 3000 Tickets standen den Anhängern beider Clubs offiziell zur Verfügung – die Europäische Fußball-Union Uefa will ja bis zu 20 000 Zuschauer in die Puskas-Arena lassen, sie bezeichnet den Supercup als „Pilotprojekt“ für die flächendeckende Zuschauerrückkehr. 2100 Bayern-Fans hatten teils vor der Zuspitzung der Corona-Lage Tickets erworben und also schon da das Kontingent nicht ausgeschöpft. Clubchef Karl-Heinz Rummenigge erwartet nun „nur noch unter 1000 Bayern-Fans“. Aus Sevilla kommen aller Voraussicht nach nicht mehr als 500 Anhänger nach Budapest.

Lesen Sie hier: Viele Fans haben ihre Tickets zurückgegeben

Im Grunde also will eine große Mehrheit gar nicht mehr in die Stadt oder ins Stadion. Und viele, die in Budapest leben, dort, wo die so genannte Inzidenzzahl über 100 liegt, wollen nicht, dass die Partie noch stattfindet. Nur kurz zur Orientierung. Der Inzidenzwert in Budapest ist aktuell ungefähr doppelt so hoch wie der in München – wo zuletzt aufgrund der kritischen Corona-Zahlen keine Fans in die Arena durften beim Spiel gegen Schalke.

Probelauf für andere Wettbewerbe

Der Budapester Oberbürgermeister Gergely Karacsony sprach sich nun angesichts der Corona-Lage in seiner Stadt für ein Geisterspiel aus. „Hätte ich die rechtlichen Möglichkeiten, würde ich das Match hinter geschlossenen Toren stattfinden lassen“, sagte der grün-liberale Politiker. „Die Verantwortung liegt aber bei denen, die die Entscheidungsgewalt haben“, fügte er mit Blick auf die rechtsnationale Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban und die Uefa hinzu.

Die Europäische Fußball-Union will den Supercup als Probelauf für ihre anderen Wettbewerbe nutzen. In vier Wochen etwa beginnt die neue Champions-League-Saison. „Die Uefa will wieder ein Stück Normalität in den Fußball bringen“, sagte der Bayern-Präsident Hainer. Und weiter: „Eine Absage oder Spielverlegung wäre nicht einfach gewesen.“

„Ein Menschenversuch“

Etwas anders sieht das der Budapester Stadtteil-Bürgermeister Csaba Horvath, der vor der Partie an diesem Donnerstag drastische Worte wählte. Es handele sich längst nicht mehr um ein Fußballspiel, sagte er: „Es ist ein Menschenversuch.“ Ministerpräsident Orban, so der Bürgermeister weiter, gefährde mit seinem Hobby das Leben Tausender.

Karl-Heinz Rummenigge dagegen verzichtete auf klare Kante und versuchte sich stattdessen als Chefdiplomat. Der Bayern-Vorstandschef, der gut mit Uefa-Präsident Aleksander Ceferin kann, sagte, dass das Risiko ernstzunehmen sei: „Ich verstehe all diejenigen, die sagen, man muss extrem vorsichtig mit dem Thema umgehen.“ Rummenigge also verzichtete auf eine Kritik in Richtung der Uefa – der Mann, der fürs Sportliche zuständig ist, setzte hingegen ein Zeichen. Bayern-Trainer Hansi Flick sagte über das Spiel in Budapest: „Das ist eine Sache, die man nicht so ganz versteht.“

Wie auch immer – Anfang dieser Woche noch konnten sich Bayern-Fans, die nach Budapest reisen wollten, auf Initiative des Clubs in der Münchner Arena testen lassen. Hinter den Corona-Testern prangte dabei ein Transparent: „Super Cup? Super Safe!“.

Sicher aber ist wohl gar nichts mehr – auch nicht in den Augen des Ministerpräsidenten Söder (CSU), der nun klarstellte, dass die Aufhebung der Quarantänepflicht für Rückkehrer von einer weniger als 48 Stunden dauernden Reise in ein Risikogebiet in Bayern fortan nicht mehr für Besucher von Sportveranstaltungen gelte: „Das trifft insbesondere das Thema Supercup“, betonte Söder explizit.

Uefa droht eine Klage

Und auch ein Mann, der mit der Sache auf den ersten Blick gar nichts zu tun hat, meldete sich noch zu Wort. Der Bürgermeister von Porto, Rui Moreira, drohte der Uefa gar mit einer Klage. Denn ursprünglich war die portugiesische Hafenstadt offenbar als Austragungsort für den Supercup vorgesehen – laut des Bürgermeisters sei die kritische Corona-Lage dann irgendwann als Grund für die Verlegung nach Budapest genannt worden. Jetzt wirft Rui Moreira der Uefa Wortbruch vor. Und sagt süffisant: „Ich wüsste nicht, dass es in Budapest derzeit keine Pandemie gibt.“