Die isländischen Fans haben schon wieder allen Grund zum Feiern. Foto: dpa

Die Isländer haben nach ihrem guten WM-Debüt gegen Argentinien direkt schon wieder alle Sympathien auf ihrer Seite. Und für die Nordeuropäer soll es das noch nicht gewesen sein.

Moskau - Und dann auch noch das. Da holen diese kleinen Isländer, die in Wahrheit alle sehr groß sind, die meisten 1,85 Meter aufwärts, also tatsächlich einen Punkt gegen Argentinien, gegen diese riesige Fußballnation, gegen den zweifachen Weltmeister, gegen Lionel Messi – und was passiert hinterher? Ein kurzes Abklatschen im Mittelkreis, ein kurzer Gang zu den Fans, und ab dafür in die Kabine. Keine Jubeltänze, kein Jubelkreis. Noch nicht mal Jubelschreie. Die Eisblöcke haben wieder zugeschlagen.

Jetzt also auch zum ersten Mal bei einer WM, jetzt also auch gegen die ganz Großen – die wundersame Reise geht nach der wundersamen EM vor zwei Jahren weiter – damals gab es ja schon diesen historischen Sieg im Achtelfinale gegen England. „Jetzt sind wir bei der WM, dann bekommen wir ausgerechnet Argentinien als ersten Gegner“, sagte der Trainer Heimir Hallgrimsson nach dem Schlusspfiff in Moskau: „Und wir holen gleich ein Punkt. Das war sicher ein Meilenstein für meine Mannschaft.“

Das übrigens war so etwas wie die ultimative Gefühlsausbruchs des Coaches, der ansonsten so auftritt, wie seine Elf auf dem Platz: eiskalt. Als der Keeper Hannes Halldorsson es tatsächlich schaffte, den Elfmeter eines gewissen Lionel Messi zu halten, saß der Coach auf der Bank. Er verzog keine Miene und klatschte kurz mit seinem Assistenten ab. Dann gab er seinem Stürmer eine Anweisung. Hannes hat gegen Messi einen Elfer gehalten. Huh!

Eislippe abputzen und weiter geht’s

Diese Haltung überträgt sich auf die Mannschaft auf dem Platz. Als der ganz und gar nicht coole argentinische Coach Jorge Sampaoli mal wieder wild zeterte an der Seitenlinie und das angebliche Zeitspiel einiger Isländer anprangerte, schauten die wenige Meter danebenstehend nicht mal hin.

Nicht mal ein Schulterzucken haben diese Eisklötze für ihre Gegner übrig. Und hinterher, nach diesem sensationell anmutenden 1:1, da müssen sie auch nicht aus sich heraus gehen. Eislippe abputzen und weiter geht’s. Heißblütig rumfeiern, das sollen die anderen machen.

Die Isländer machen ihr Ding, und nur ihr Ding. Sie stehen meist tief hinten drin, sie hauen sich rein, mit allem, was sie haben, manchmal auch mit ihrem roten Vollbart. Zwei eng gestaffelte Viererketten, eine am Strafraum, eine knapp davor, die Eisklötze stehen hinten kompakt. Normalerweise ist diese Spielweise nichts fürs Auge, sie ist verpönt, sie ist langweilig.

Bei den Isländern ist genau das spektakulär. Denn wenn sich diese großen Kerle ohne jede Angst in alles reinwerfen, wenn sie die Brust rausdrücken und so jedem Gegner der Welt in jeder Minute suggerieren – kommt erstmal, wir stehen hier, und zwar wie eine Eins – dann bieten sie großes Fußballkino. Und das Beste: Die Isländer spielen hart, aber fair. Sie langen hin, aber nur, wenn es sein muss. Sie haben Lionel Messi nicht oft gefoult, sie hatten ihn meist durch kluge Raumaufteilung auch so im Griff. Es war eine kämpferische und taktische Meisterleistung.

Auch der Achtelfinaleinzug ist jetzt drin

„Wir haben diese klare Identität, nur so können wir das Spiel organisieren – aber so können wir es“, sagte der Trainer Hallgrimsson dazu und ergänzte: „Und für alle ist es doch mehr Genuss, so zu spielen und etwas zu erreichen, als anders zu spielen und nichts zu erreichen.“ Eben.

Und jetzt, wo geht diese Reise noch hin in Russland? Nigeria und Kroatien sind die anderen Gruppengegner – klar ist, dass bei ähnlichem Auftreten wie gegen Argentinien was drin ist für die Isländer. Auch der Achtelfinaleinzug.

Spätestens dann werden sie wieder wie vor zwei Jahren auch schon herausgesucht und bemüht, all die lustigen Geburtsorte und die teils noch lustigeren Vereinsnamen der Spieler – an dieser Stelle sei nur erwähnt, dass Alfred Finnbogason vom FC Augsburg im ersten isländischen WM-Spiel das 1:1 gegen Argentinien und Lionel Messi schoss.

Das muss fürs Erste reichen.