Suppe, Reis mit Hühnchen und Süßspeisen: gemeinsam wird gegessen. Foto: Liviana Jansen

Zum gemeinsamen Fastenbrechen haben sich Muslime und Christen im Haus 49 im Nordbahnhofviertel getroffen. Der Dialog zwischen den Religionen, finden die Teilnehmer, darf nicht abbrechen.

S-Nord - Ein Gebetsruf schallt durch den Raum. Es ist 21.37 Uhr – Sonnenuntergang. Nach einem heißen Tag darf nun gegessen und getrunken werden. Den rund 40 Gästen wird Linsensuppe serviert. Endlich, könnte man meinen. Doch Ben Mohamed erklärt, das Fasten sei auch bei so extremer Hitze wie in den vergangenen Tagen kein Problem, wenn der Glaube nur fest genug sei. Denn das Fasten im Ramadan sei ein Dienst für Gott – nur für Gott. „In die Moschee gehen, Almosen geben, all das machen wir auch für uns selbst“, erklärt der Theologe, der mit seiner fünfköpfigen Familie zum gemeinsamen Fastenbrechen gekommen ist. Aber das Fasten, das sei eine Angelegenheit nur zwischen dem Einzelnen und Gott.

Gebet und Abendessen mit Familie und Freunden

Der Verzicht auf Essen, Trinken und Rauchen zwischen Morgendämmerung und Sonnenuntergang im Monat Ramadan ist eine der sogenannten fünf Säulen des Islam, der Hauptpflichten der Gläubigen. Neben dem Verzicht auf äußere Reize gibt es auch eine innere Dimension des Fastens: Im Fastenmonat sollen Muslime noch mehr als sonst darauf achten, sich von Sünde freizuhalten, nichts Verwerfliches anzusehen und nicht schlecht von anderen zu reden. Eine zentrale Rolle spielt neben Gebeten und dem Lesen im Koran auch das Miteinander. Traditionell trifft man sich jeden Abend zum gemeinsamen Gebet und Abendessen mit Familie, Freunden und Nachbarn. Aber man soll auch Menschen einladen, mit denen man sich zerstritten hat. Denn auch mit ihnen soll man sich in dieser Zeit verstehen – Streit im Ramadan ist tabu. „Das Fasten ist wie eine Universität“, sagt Ben Mohamed. Jeder solle in sich gehen, sich mit Gott beschäftigen und etwas lernen, das er nachher anwenden kann. Er ergänzt: „Das zieht sich durch alle Religionen, gefastet wird ja nicht nur im Islam.“

Das Fasten als innere Einkehr kennt man auch bei der katholischen Kirche. „Auch ich faste, allerdings geht es da nicht immer um Essen und Trinken, sondern um den bewussten Verzicht auf Gewohntes“, erzählt Christine Göttler-Kienzle von der katholischen Gemeinde St. Georg an der Heilbronner Straße. Das Begehen des gemeinsamen Fastenbrechens halte sie für sehr wichtig, denn: „Ein friedliches Zusammenleben funktioniert nur, wenn man übereinander Bescheid weiß.“

Ähnlich sieht das auch Pfarrer Karl-Eugen Fischer von der evangelischen Nordgemeinde. „Gerade in dieser Zeit der Unruhen und Konflikte ist es wichtig, dass ein interreligiöser Dialog stattfindet“, betont er. Er habe wirklich Achtung davor, das Fasten auch bei diesen Temperaturen durchzuhalten. Auch der zukünftige Direktor der Caritas Stuttgart, Uwe Hardt, findet: „Solche Feste gemeinsam und religionsübergreifend zu begehen, das ist bedeutend für das Gelingen jeglicher Integration.“

Friedliches Miteinander

Halil Karacoban von der im Haus 49 ansässigen Imam Hüseyin Moschee bestätigt: „Ich bin froh, so viel Verständnis von christlicher Seite zu erfahren.“ Im Haus 49 gelinge bereits, was man sich andernorts nur wünschen könne – ein friedliches Miteinander verschiedenster Religionen.

Das wird an diesem Abend auch sichtbar: Einträchtig löffeln die Anwesenden Suppe, essen Reis mit Hühnchen und teilen sich in Honig eingelegte Süßspeisen. Es wird geredet, gescherzt und gelacht. Nach dem Essen folgt abermals ein Gebet, danach spielt eine Musikkapelle. Dann wird es Zeit zu gehen: Einer nach dem anderen verabschieden die Muslime sich, denn bei Anbruch der Morgendämmerung ruft wieder das Gebet, ein neuer Fastentag beginnt.

Endgültig gebrochen wird das Fasten mit dem Zuckerfest Id Al-Fitr, das hierzulande am 17. Juli beginnt. Als eines der wichtigsten Feste im Islam dauert es drei Tage lang und wird gemeinsam mit Familie, Freunden und Nachbarn begangen.