Am Fastnachtsdienstag wird die Fasnet in Staufen auf dem Marktplatz um Mitternacht verabschiedet. Foto: Philipp von Ditfurth

Im Markgräflerland gibt es zu dieser Jahreszeit einen besonderen Brauch: Am Fastnachtsdienstag wird die Fasnet in Staufen unter großem Geheul zu Grabe getragen. Die Verbrennung um Mitternacht auf dem Marktplatz ist schaurig-schön.

Staufen - Eine erwartungsvolle Menge hat sich auf dem Marktplatz versammelt, und immer noch strömen Leute hinzu. Rund um den Brunnen haben sie sich aufgestellt, manche im vollen Fasnethäs. Das ein oder andere Kostüm wirkt schon etwas ramponiert, den Kostümträgern sieht man das Befinden im Schummerlicht der Straßenbeleuchtung nicht an. Es ist 23.30 Uhr, am „Fasnet-Zischdig“, wie der Fastnachtsdienstag im Dialekt heißt. Der letzte der närrischen Tage.

Auf dem historischen Marktplatz hat alles begonnen wie jedes Jahr. Das schönste und höchste Haus ist das Rathaus. Am schmotzigen Dunschtig wird es zu Mittag gestürmt, eine lange Leiter und „der alte Schwede“, eine Kanonennachbildung, leisten dabei gute Dienste. Oberschelm Armin Wiesler, Präsident der Schelmenzunft, führt Regie und lässt zuletzt die Narrenfahne am Rathaus hissen. Die Stadt ist fest in Narrenhand.

Blau und weiß leuchtet das Gewand der Schelmen, silberne Glöckchen zieren die Zipfel der Narrenkappe, weiß behandschuhte Hände schwingen die hölzernen Rätschen. Sie passen gut zum Schwarzwald, und sie lärmen prächtig. Am Samstag ist auf dem Marktplatz buntes Treiben: „Schnurre uff em Märt“ heißt es nun. Beim Schnurren werden wildfremde oder auch Bekannte angeflirtet, man schäkert ein wenig, oft mit verstellter Stimme, verteilt Gutsele, Äpfel oder Zwiebeln. Manche zaubern auch ein Würstchen oder einen Schnaps aus dem Korb, der dann gemeinsam getrunken wird.

Schnurrewieber tragen eine Holzmaske

Das Schnurren auf dem Markt jedenfalls wird von den „Schnurrewiebern“ und den „Mittwochern“ besorgt. Diese beiden Figuren werden von Staufener Bürgern dargestellt. Da dürfen dann auch die Frauen ins Häs schlüpfen, was bei der rein männlichen Schelmenzunft nicht infrage kommt. Die Schnurrewieber tragen eine liebenswürdige Holzmaske, Kopftuch und Marktkorb. Ihre Partner sind die Mittwocher, mit grüner Weste über dem Hemd, rotem Halstüchle und freundlicher Holzmaske auch sie. Genannt wurden sie nach dem Mittwoch, welcher stets der Markttag war. Da kamen die Bauern aus den umliegenden Dörfern und aus den Tälern des Schwarzwalds herunter in die Stadt, um ihre Waren anzubieten. Natürlich auch, um anschließend ein Viertele zu trinken, etwa im Gasthof Hirschen oder im Löwen links daneben.

Im Löwen, erbaut im Jahr 1536, soll der historische Faust ums Leben gekommen sein. An der Fassade zur Hauptstraße kann man sehen, wie der oberste Teufel Mephisto dem Faust das Genick bricht. Drum wird Staufen auch „die Fauststadt“ genannt.

In neuerer Zeit machte Staufen eher durch teuflische Risse von sich reden, die in den meisten Fassaden der historischen Altstadt entstanden sind. Erdwärme wollte man nutzen, um das Rathaus zu heizen, und stieß bei den Bohrungen 2007 auf eine Gips-Keuper-Schicht. Das eingedrungene Grundwasser ließ sie quellen, Hebungen waren die Folge, deren Ende noch nicht in Sicht ist. 260 Häuser sind inzwischen betroffen, zwei mussten bereits abgerissen werden. Deswegen zeigen große Pflaster an vielen Fassaden die Schäden. „Staufen darf nicht zerbrechen“ steht darauf. Man kann Sonderbriefmarken und Wasserkrüge kaufen, um die Rettung der historischen Altstadt zu unterstützten.

Vielleicht wird die Fasnet hier auch deswegen besonders innig gefeiert. Einige Tage, in denen man das Ungemach vergessen kann, um sich in andere Welten zu stürzen. Am Rosenmontag wird ein närrischer Markt mit dem Thema Welt(t)traum abgehalten. Jeder kann mitmachen, jeder ist aufgerufen, sich zum diesjährigen Motto etwas auszudenken.

Höhepunkt ist jedoch der Abschied von der Fasnet mit großem Wehklagen und Trauerzug. Unter großem Geheul, unterbrochen von herzzerreißendem Schluchzen, jammert Schelmenpräsident Armin Wiesler: „Unsere liebe Fasnet, isch wieder vorbei, . . . scho wieder vorbei.“ Und dann wird sie verbrannt, die Strohfigur, die mitten auf dem Marktplatzbrunnen montiert ist, lichterloh brennt die symbolische Fasnet. Lichterloh schlagen die Flammen in den Nachthimmel. Und erst dann, nach Mitternacht, ist wirklich alles vorbei.