Der Bärentanz – der Ursprung der Urzeln-Tradition liegt in Siebenbürgern. Foto: Werner Kuhnle

500 Urzeln feiern am Fasnetssamstag und präsentieren das Repertoire ihrer reichen Siebenbürger Traditionen.

„Hirrä! Hirrä! Hirrä!“ – der wilde Schrei erklang am Fasnetssamstag auf dem Schlossplatz in Sachsenheim. 500 Urzeln, im typischen Häs mit schwarzen Fransen, Fellsaum und Fellmütze, freundlicher Gazemaske und blondem Hanfzopf, behangen mit Kuhglocken, waren vom Bahnhof heraufgezogen zum Urzelnlauf. Angekündigt wurden sie vom lauten Knallen ihrer Peitschenträger, musikalisch unterstützt von der Stadtkapelle.

 

Es war das 60-Jahr-Jubiläum dieser urigen Karnevalszunft, die ihren Ursprung im weit entfernten Siebenbürgen hat, im Ort Agnetheln. Hunderte Zuschauer verfolgten das Spektakel und erlebten, wie recht Bürgermeister Holger Albrich hatte, als er sagte, dass diese Tradition, die Aussiedler aus Rumänien mitgebracht haben, nun auch hier im Schwabenland heimisch ist: „Urzeln schlugen Wurzeln.“

Hunderte Urzeln zwängen sich durch die Straßen von Sachsenheim Foto: Werner Kuhnle

Freude über so viele Zuschauer

Ein Fasnetsspaß der besonderen Art, nicht überschäumend wild, mit interessanten Bräuchen, was gewiss etliche Zuschauer auch von auswärts angelockt hat. Und längst stecken hinter den Masken der Urzeln nach sechs Jahrzehnten schon viele schwäbische Gesichter. Auch Bayern oder Franken – manche Hästräger waren nämlich eigens von weither an die Metter gereist.

Auf dem Schlosshof – neben den Urzeln waren auch Harlekine, Zylinderhüte, Kinder als Prinzessinnen oder Krokodile zu sehen – freute sich Bürgermeister Holger Albrich, ebenfalls im Häs, über die Vielzahl der Besucher. Er dichtete über die Teilnehmer „von drei bis 100“, und er wandelte das alte Sozialistenzitat ab: „Das Urzeltier in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.“

Thomas Lutsch, Zunftmeister der Urzeln, meinte, es sei „überwältigend zu sehen“ wie viele sich auf dem Platz tummelten. Er kommentierte, was geboten wurde: drei Tänze mit eigener Geschichte, entstanden aus Bräuchen der Handwerkszünfte in Agnetheln. Häs, Trachten und Standarten trugen einen Hauch Karpatenluft in den kalten Märztag.

Spürbar war das beim Bärentanz, einer speziellen Choreographie für einen zottigen Bären und einen tapferen Treiber, der sich Mühe gab, das knurrende Tier mit seinem Stock zu bändigen. Hübsch anzuschauen der Schneidertanz, ein Rösslein und seine Dressur. Höhepunkt war der verblüffende Reifentanz. Fünf Frauen in Tracht balancierten und drehten Reifen, in denen halb gefüllte, aber nicht befestigte Gläser standen – fast alle schafften es, ihre Gläser samt Inhalt unbeschadet herumzuwirbeln. Das Geheimnis, so Zunftmeister Lutsch, ist „die Zentrifugalkraft“ – entscheidend ist der richtige Anfangspunkt, um die Physik zur Stabilisierung der Gläsertürmchen zu nutzen.

Musik durfte beim Urzeln- Umzug in Sachsenheim nicht fehlen. Foto: Werner Kuhnle

Alten und Jung sind als Urzeln verkleidet

Alt und Jung waren im Urzelhäs unterwegs. So wie die zehnjährige Luisa, die berichtete, sie laufe bereits seit sechs Jahren mit. „Mir gefällt die Musik, und später, da wird ja auch noch getanzt.“ Besonders stolz war sie auf ihre Pelzmütze mit den zwei Ohren. Oder wie der 24-jährige Leon, für den dieser Lauf „immer etwas Besonderes“ ist. Er ist in Sachsenheim aufgewachsen, wohnt jetzt in einem Nachbarort, aber „das hier, das versäumt man nicht, das ist wie Familientreffen“.

Wie es Tradition ist, besuchten die Urzeln noch den Pfarrer. Der Hof der stattlichen Wehrkirche in Sachsenheim, nur ein paar Schritte entfernt, füllte sich mit den schwarzgefransten Gesellen. Auch Pfarrer Dieter Hofmann hatte ein Gedicht parat. „Gott segne euch Urzeln, er segne auch das gemeinsame Wir.“ Ein schöner Appell an Gemeinschaft in einer Zeit der Zerrissenheit. Zum Schluss sangen alle ein traditionelles Siebenbürger Lied, „Auf der Erde, da gibt es ein Land….“ Viele stimmten auswendig mit ein.