Auch beim Publikum der Fashion Week waren ausgefallene Sneaker zu finden. Foto: dpa

Der Designer Michael Michalsky orakelte auf der Berliner Fashion Week über einen Bundeskanzler in Sneakers. Es wäre nicht der erste Spitzenpolitiker, der zur Vereidigung in Turnschuhen erscheint.

Berlin - Lässig, sportlich und ein bisschen unangepasst: Schon Joschka Fischer nutzte die Aussagekraft seiner Sneaker, als er 1985 zur Vereidigung als hessischer Umweltminister in weißen Nikes erschien. Ob in Leder, Baumwolle oder Synthetik, klassisch weiß oder farbenfroh - straßentaugliche Turnschuhe sind angesagt. Seit Jahren geben die Deutschen Millionen dafür aus, mittlerweile tragen selbst Rentner und Manager Sneaker.

Bei der Modewoche in Berlin beschwören Designer den Boom: „Dieser Trend wird nie verglühen“, meint etwa Michael Michalsky. „Vielleicht haben wir ja bald auch einen Bundeskanzler in Sneakers - you never know.“ Denn die Welt hat sich gedreht. „Die Zeit ist sneakerreif“, sagt der Designer Guido Maria Kretschmer - auch wenn der Hersteller Puma kürzlich wissen ließ, der Boom flache etwas ab. „Die Leute wollen schnell, sie wollen bequem“, sagt Kretschmer.

In der Berufswelt hat sich viel verändert

Schlabberlook breitet sich aus. Wer schon mit Kapuzenpulli im Hörsaal saß, muss ihn nach dem Examen nicht wegwerfen. Immer häufiger ist der Hoodie auch im Büro in Ordnung. Auch Kollegen in Jogginghosen gibt es öfter, meist mit Sneaker.

Das zeige nur, wie sich das Leben verändert habe, auch beruflich, sagt Michalsky. „Heute gibt es unheimlich viele Jobs, die es vor 30 Jahren nicht gab, App-Entwickler etwa. Berufe, für die man eine gewisse Uniform anziehen muss, sind fast verschwunden.“ Anzug und Krawatte, das werde vielleicht noch von Rechtsanwälten oder im Vorstand von Dax-Konzernen erwartet.

Sportliche Kleidung wirkt agil und jung

„Wenn es eine schicke Jogginghose und schicke Sneaker sind, hat man in vielen Unternehmen heute wahrscheinlich größere Chancen als wenn man irgendeinen Anzug trägt“, mutmaßt Michalsky, der auch mal Chefdesigner bei Adidas war. Schließlich wirke sportliche Kleidung agil, jung und flexibel.

Doch laufen alternde Menschen in Turnschuhen Gefahr, sich lächerlich zu machen? Kretschmer winkt ab. Turnschuhe könne man auch mit 99 Jahren noch tragen. Er rät: „Vielleicht nicht so übertriebene Modelle, die dann nur den Look auf den Turnschuh legen. Oder auch nicht diese Riesen-Plateaus, diese Riesen-Biester, mit denen man schnell umknicken kann und dann womöglich einen Oberschenkelhals-Bruch bekommt.“

Michalskys Tipp: „Wenn man 75 ist, ist ein neonfarbener Sneaker vielleicht nicht mehr für jeden was. Aber das Alter hat heute nichts mehr mit einer Zahl zu tun.“