„Ihr werdet von uns hören“: Die Fans – wie hier von Bayer Leverkusen – kündigten am Pokalwochenende verstärkten Protest an. Foto: dpa

Vor dem Start in die neue Bundesligasaison herrscht Funkstille zwischen Fans und Verbänden. Dafür könnte der Protest bald umso lauter werden.

Stuttgart - Es brodelt in den Fankurven der Republik. Und das nicht nur wegen der Vorfreude auf den bevorstehenden Saisonstart in der Fußball-Bundesliga an diesem Freitag. Die Stimmung ist aufgeheizt, die großen Verbände DFB und DFL sind einmal mehr Zielscheibe der Kritik.

Die Anhänger – oder vielmehr: die organisierten Fanszenen – fühlen sich verarscht, um in der Sprache des Fußballvolkes zu bleiben. Bestes Beispiel ist die jüngste Einführung des Montagsspiels in der dritten Liga des Geldes wegen. „Der Fußballsport soll noch weiter seiner sozialen und kulturellen Wurzeln beraubt werden, um ihn auf dem Altar der Profitgier von den Verbänden auszunehmen“, wirft der Zusammenschluss der Fanszenen (darunter die Ultras des VfB Stuttgart) den Mächtigen des deutschen Fußballs vor. Weshalb sie Anfang der Woche den seit einem Jahr lose geführten Dialog aufkündigten, verbunden mit der unverhohlenen Drohung: „Ihr werdet von uns hören.“

Ein Ende der Dauerfist ist nicht in Sicht

Vor dem Start in die 56. Saison herrscht also mal wieder Eiszeit zwischen dem Anbieter von Deutschlands größtem Unterhaltungsprodukt und einem nicht ganz unbedeutenden Teil seiner Kunden – den Stimmungsmachern in den Kurven. Wem gehört der Fußball? Diese Brennpunktfrage, so scheint es, mündet mehr und mehr in einen Kulturkampf. Ein Ende der Dauerfehde ist nicht in Sicht.

Einer der Protagonisten ist Christian Seifert. Der mächtige Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL) nahm am Donnerstag im Stuttgarter Innenministerium Platz, um über ein Projekt für weniger Polizeieinsätze rund um Fußballspiele zu sprechen. Natürlich ging es dabei auch den neu entfachten Fan-Konflikt. Seifert, von Berufs wegen Interessenvertreter und nicht Diplomat, wollte nicht noch Öl ins Feuer gießen. Deutlich wurde der 49-Jährige trotzdem. Der organisierten Fans – ausdrücklich nicht allen – warf er ein „falsch verstandenes Dialogverständnis“ vor. Wenn Dialog heiße, nur Forderungen zu stellen, könne er genauso gut von den Fans verlangen, „auf Vandalismus in Zügen und Pyrotechnik im Stadion zu verzichten“, dozierte Seifert mit süß-saurer Miene. Grundsätzlich herrsche bei vielen eine zu hohe Erwartungshaltung vor. Es sei ein Leichtes, über alles immer nur pauschal Kommerzkritik zu schreiben, so Seifert. Überhaupt: „Warum zielt die Kritik immer nur auf die Dachverbände, aber nie direkt auf die Vereine?“, erklärte der DFL-Geschäftsführer, „sie waren es doch, die mit großer Mehrheit für die Einführung von Montagsspielen gestimmt haben.“

Seifert schießt zurück

Der DFL-Boss ist verärgert. Die Ultras und Stimmungsmacher in den Stadien sind es auch. So wogt der Konflikt hin und her. Ein Vorankommen? Ist nicht in Sicht. Dabei ist es nicht einmal so, dass nichts passiert wäre. DFB und DFL verweisen auf die bereits vorgenommene Streichung von Kollektivstrafen, dem Bekenntnis zu Stehplätzen sowie die Lockerung bei der Handhabung von Fan-Utensilien. Vielen Anhängern reicht das nicht. Sig Zelt von der Organisation Pro Fans spricht von „Alibi-Aktionen, um die Gemüter zu beruhigen“. Er fordert, dass sich die Verbände „endlich der Sache“ stellen, stattdessen wichen sie einer kontroversen Debatte aus.

Die Sache, das ist die aus ihrer Sicht an vielen Punkten festzumachende, immer weiter fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs. Wozu neuerdings eben auch die Montagsspiele in der dritten Liga oder die ungenügende Aufstiegs-Reform in der Regionalliga zählen, aber nicht nur. Ob 50+1, Anstoßzeiten oder Stadionverbote – die selbst ernannten Gralshüter des Volkssports Fußballs sehen die alten Konfliktthemen durch die Verbände nur notdürftig kaschiert.

Wie es weitergeht? „Der Protest wird in der neuen Saison auf jeden Fall noch stärker werden“, prophezeit Sig Zelt. Was Seifert als „Erpressung“ begreift. Den Protest noch stärker in die Stadien zu tragen, könne nicht der Ansatz sein.

Der beendete Dialog mit den Verbänden ist also nur die Ruhe vor dem Sturm. Und der nächste Fan-Gipfel wohl nur eine Frage der Zeit.