Schon 2009 protestierten die Fans – wie hier in Stuttgart – gegen die Anstoßzeiten in der Bundesliga. Foto: dpa

Warum der Streit um Anstoßzeiten exemplarisch steht für den gegenwärtigen Kulturkampf in der Fußball-Bundesliga.

Bremen - Immer wieder montags. „Wir sind das Volk“, riefen die Bürger in den Spättagen der DDR, als sie zu Hunderttausenden in Leipzig und anderswo auf die Straßen gingen. Der Begriff Montagsdemonstration war geboren und wurde zum festen Bestandteil deutschen Widerstands. In Stuttgart gegen das milliardenschwere Bahnhofsprojekt, in Frankfurt gegen den Ausbau des Flughafens. Im Osten knüpften die Anhänger von Pegida unheilvoll die Bande zum Ursprungsprotest vor knapp 30 Jahren.

Jetzt sind Montagsdemonstrationen auch in den deutschen Fußballstadien angekommen. Gegen den Montag, gegen die weitere Zerstückelung der Spieltage. Gegen die Moderne im Millionen-Geschäft Profifußball, der sich so viele Anhänger mit der Kraft der Kurve widersetzen. In Frankfurt flogen Tennisbälle (als Symbol für den angeblichen Reichensport), in Dortmund blieb die Südtribüne leer. Auch an diesem Montag, wenn Werder Bremen den 1. FC Köln um 20.30 Uhr zum dritten Montagsspiel dieser Saison empfängt, werden wieder zahlreiche Plätze leer bleiben. Fans beider Lager haben ihren Boykott angekündigt. „Die Anstoßzeiten können nicht weiter dem Profitstreben von Vereinen, Verbänden und TV-Sendern zum Opfer fallen und müssen auch im Sinne von uns Fans gestaltet werden“, heißt es beim Verein „Südkurve 1. FC Köln“.

Die ersten Funktionäre rudern zurück

Die Fans machen mobil – und die Verantwortlichen den ersten Rückzieher. In Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund und Frankfurts Präsident Peter Fischer haben dieser Tage die ersten Funktionäre die Einführung der fünf Montagsspiele pro Saison als Fehler bezeichnet.

„Wir müssen den Fußball im Sinne aller wieder ertragbar machen“, sagte der meinungsfreudige Eintracht-Funktionär, der sich prompt den Heuchel-Vorwurf einhandelte. Schließlich hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) die Aufsplittung der Spieltage zum Wohle des Fernsehvertrags nicht als autarker Verband durchgedrückt. Sondern im Interesse aller 36 Clubs der ersten und zweiten Liga, die dafür mehr Geld erhalten. Fischer gibt sich selbstkritisch. „Wir haben das damals nicht so überrissen. Aber ich denke, dass wir daraus gelernt haben, was Fußball am Montag bedeutet.“

Noch sind Fischer und Watzke („Wir müssen zurück zu unseren Wurzeln“) die einsamen Rufer. Die DFL und der Deutsche Fußball Bund (DFB) verweisen auf die bis 2021 gültigen Verträge. Sie garantieren den Clubs der ersten und zweiten Liga pro Saison Einnahmen von 1,2 Milliarden Euro. Nur ein Prozent dieser Erlöse würden die Montagsspiele generieren, sagt die DFL und versucht damit den Verdacht zu zerstreuen, es gehe ihr nur ums Geld. Vielmehr wollte man mit dieser Entscheidung den Europa-League-Startern, die donnerstags spielen, mehr Entlastung ermöglichen.

Gegen diese Begründung ließe sich einwenden, dass die bisherigen Sonntagstermine für keinen Club im Europapokalmodus ein Problem darstellten. Aber darum geht es gar nicht. Sondern um die Frage, wer den Clubs wichtiger ist: Der Fan im Stadion – oder der Kunde im Fernsehsessel, in Deutschland, China oder anderswo? Die Montags-Botschaft war deutlich. Es scheint, als stehe die internationale Wettbewerbsfähigkeit über den Belangen der Fans. DFL-Boss Christian Seifert drückt es so aus: „Dreimal hintereinander die Champions League gewinnen oder Messi und Ronaldo sind schon bessere Verkaufsargumente, als zu sagen: Bei uns sind aber die Choreografien schön.“

Stadien sind immer seltener ausverkauft

Dass die Bundesliga seit langem mit ihren tollen Stadien und stimmungsvollen Fankurven wirbt (und weniger mit ihrer sportlichen Klasse), passt dabei nicht so recht ins Bild. Vielmehr muss die deutsche Beletage aufpassen, dass leere Tribünen künftig nicht mehr nur montags das Bild prägen. In vielen Stadien ist der Zuschauerschnitt rückläufig. In dieser Saison waren bislang nur knapp ein Drittel aller Spieler ausverkauft – der schlechteste Wert seit zehn Jahren.

Mit ein Grund dürften die Anstoßzeiten sein. Laut einer durch den Fan-Verein „FC Play Fair“ initiierten Studie lehnen neun von zehn Befragten den Termin am späten Montagabend ab. Kaum höher in der Gunst der Fans stehen Spiele am Sonntag um 18 oder um 13 Uhr. Der traditionelle 15.30-Uhr-Termin am Samstag bleibt die beliebteste Anstoßzeit. Der Fan hat also eine klare Meinung. Doch wer ist das eigentlich: der Fan? Was ist die Mehrheitsmeinung? Sind es unter den 40 Millionen selbst ernannten Fußballfreunden in Deutschland die fünf Millionen Sportschau-Gucker? Oder die 400 000, die am Wochenende in die Bundesliga-Stadien pilgern. Oder bestimmen am Ende nur die Ultras in den Kurven den Ton; jener Teil also, der sich selbst als Avantgarde sieht?

„Der Fußball ist das letzte Lagerfeuer, um das sich alle versammeln“, hat der Leiter für Fan-Angelegenheiten bei der DFL, Thomas Schneider, erkannt. Es lohnt dafür zu kämpfen, dass das Feuer nicht irgendwann erlischt. Schon gar nicht wegen des Streits um ein paar Montagsspiele.