Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, kritisiert die Bundesregierung: Die Kosten für die Umsetzung von Gesetzen in Unternehmen werde unterschätzt.  Foto: Tom Pingel/Stiftung Familienunternehmen

Die Umsetzung neuer Gesetze verursacht bei Unternehmen deutlich höhere Kosten als von der Bundesregierung veranschlagt. Die Stiftung Familienunternehmen legt jetzt Reformvorschläge auf den Tisch.

Stuttgart/Berlin - Wenn Familienunternehmer nach Wachstumsbremsen gefragt werden, nennen sie ganz häufig zwei Dinge zu allererst: den Fachkräftemangel und die Bürokratie. „Die Regierung darf nicht länger die Augen davor verschließen“, warnt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, und zeigt im Interview auf, wie ein Bürokratieabbau aussehen könnte.

Herr Kirchdörfer, Sie beziffern den Bürokratieaufwand bei Gesetzen, beispielsweise zur Erbschaftsteuerreform, höher als vom Gesetzgeber veranschlagt. Wie kommen Sie darauf?

Das zeigt nicht nur die tägliche Erfahrung der Unternehmen, sondern dieser Befund wird nun auch von der Wissenschaft bestätigt. Die Forscher des Instituts für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation stellen fest: Bei der Messung von Bürokratiekosten werden nicht alle relevanten Kosten für Unternehmen abgebildet. Beispiel Erbschaftsteuerreform: Die Bundesregierung bezifferte den Erfüllungsaufwand bei diesem Gesetz auf 10 000 Euro für alle Unternehmen in Deutschland zusammen. Das ist für einen Kaufmann an keiner Stelle nachvollziehbar. Allein einem befragten Unternehmen entstanden laut Untersuchung Kosten von 200 000 Euro, um sich auf das neue Erbschaftsteuerrecht vorzubereiten.

Es gibt Experten, die sagen, die Unternehmen setzen die Kosten zu hoch an.

Unsere Studie besagt das genaue Gegenteil. Die Erfahrungen mit Mindestlohngesetz und Entgelttransparenzgesetz machen klar, dass in Unternehmen erst einmal ein enormer Informations- und Umstellungsaufwand anfällt. Diese Kosten werden vom Gesetzgeber systematisch unterschätzt. Die Unternehmen mussten beim Mindestlohn zunächst prüfen, welche Mitarbeiter von der Regelung überhaupt betroffen sind. Schon dieser Aufwand blieb bei der Messung des Erfüllungsaufwands unberücksichtigt.

Haben die Ihrer Meinung nach hohen Bürokratiekosten negative Folgen für die Arbeitsplätze?

Nach einer Umfrage der Unternehmensberatung PWC ist Bürokratie nach dem Fachkräftemangel der zweitgrößte Wachstumshemmer. Unsere Studien belegen, dass der Bürokratieabbau die wichtigste Maßnahme zur Investitionssteigerung darstellt. Die Unternehmen müssen doch gewaltige Energie aufwenden, um bei ständig wechselnden gesetzlichen Regelungen auf dem Laufenden zu bleiben. In großen Unternehmen sind ganze Abteilungen mit Regulierungsfragen beschäftigt. Das verschlingt enorme Mittel. In kleinen und mittleren Betrieben fehlt oft der organisatorische Unterbau zur Bewältigung der überbordenden Bürokratie. Hier machen das die Führungskräfte nebenher. Damit fehlt ihnen Zeit für das eigentliche Geschäft. So bringt sich Deutschland um Wachstumschancen.

Welche Änderungen schlagen Sie vor?

Bei der Eröffnung eines neuen Werks muss ein Unternehmer nicht nur die Betriebskosten, sondern auch die Errichtungskosten im Blick haben. Die Regierung darf entsprechend nicht länger die Augen davor verschließen, dass die Umsetzung von Gesetzen einen sehr viel höheren Einmalaufwand verursacht als bisher bekannt. Diesen Aufwand sollte die Bundesregierung fair beziffern und sich zum konsequenten Bürokratieabbau nach der sogenannten „One in, one out-Regel“ verpflichten. Das heißt, für jede neue Belastung, die hinzukommt, muss an anderer Stelle eine wegfallen.