Das Kindergeld ist wieder einmal Zankapfel in der Politik. Foto: dpa

Die steigenden Kindergeld-Zahlungen für Jungen und Mädchen, die in anderen EU-Ländern leben, haben eine Debatte über Gesetzesänderungen entfacht. Die Städte sehen falsche Anreize am Werk.

Berlin - Die Politik diskutiert über Änderungen beim Kindergeld. Nachdem bekannt geworden ist, dass der Fiskus mehr Geld für Kinder ausgibt, die in anderen EU-Ländern leben, erhält die Debatte neuen Zündstoff. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums zahlte der Staat im Juni für rund 268 000 Kinder, die in anderen EU-Ländern wohnen, Kindergeld. Das entspricht, gemessen an 2017, einem Plus von zehn Prozent.

Im Vergleich zu den gesamten Kindergeldzahlungen ist der Anteil aber gering: Nach den Daten von 2017 überwies der Staat rund 36 Milliarden Euro an Kindergeld auf inländische Konten. Auf ausländische Konten wurden rund 343 Millionen Euro gebucht. Auch wenn aus dem Empfängerland der Zahlung nicht in jedem Fall auf den Wohnsitz des Kindes geschlossen werden kann, dürfte dies die Größenordnung wiedergeben. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) warnte davor, von den Kindergeldzahlungen für ausländische Kinder auf Missbrauch zu schließen. „Es gibt keinen flächendeckenden Missbrauch“, erklärte die BA. Allerdings habe es Betrugsfälle in Großstädten gegeben.

Anpassung an die Lebenshaltungskosten gefordert

Der Deutsche Städtetag fordert seit Langem, das Kindergeld für Jungen und Mädchen in anderen EU-Ländern an die jeweiligen Lebenshaltungsstandards anzupassen. Die Organisation begründet dies damit, dass von der bisherigen Regelung falsche Anreize ausgingen. „Es sollte sichergestellt werden, dass Kindergeld seinen eigentlichen Zweck erfüllt und dem Bedarf der Kinder gerecht wird“, sagte Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Die staatliche Leistung solle sich daher an dem Unterhalt in dem Land richten, in dem das Kind lebt. Die Bundesregierung solle eine Änderung in der EU durchsetzen, wird gefordert.

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr versucht, das Kindergeld nach den Standards in den jeweiligen EU-Ländern zu staffeln. Doch dies scheiterte am Widerstand der EU-Kommission. Brüssel lehnt eine Benachteiligung von Arbeitnehmern im gemeinsamen Binnenmarkt strikt ab. Die Debatte setzt nun neu an.

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles will Ende September mit Oberbürgermeistern verschiedener Städte über kriminelle Machenschaften etwa beim Bezug von Kindergeld durch Ausländer beraten. Dies sei „nur ein Teilproblem im Gesamtkomplex Arbeitsmigration“, erklärte Nahles. Sie betonte, dass nur auf europäischer Ebene eine Lösung gefunden werden könne.

Wenig Zahlen für das Land

Wie stark die baden-württembergischen Kommunen betroffen sind, dazu machte die Arbeitsagentur keine Angaben. Nach den Zahlen der BA leben von den bundesweit 15 Millionen Kindergeldempfängern 1,2 Millionen in Baden-Württemberg. Darunter sind knapp 258 000 Ausländer. Die größte Gruppe beim Kindergeldbezug der EU-Bürger sind im Südwesten Italiener, Rumänen und Kroaten. Die regionale Statistik der BA sagt nicht aus, wie hoch der Anteil der Kindergeldzahlungen in die Heimatländer ist.

Dafür liegen nur bundesweite Zahlen vor. Nach den Angaben des Bundesfinanzministers sind im EU-Vergleich die Polen die größte Gruppe, die für Kinder in der Heimat Leistung beantragen. Der Fiskus zahlt für rund 160 000 hier lebende Kinder polnischer Eltern Kindergeld. Hinzu kommen noch fast 118 000 Kinder, die in Polen wohnen.

Bei Rumänen sieht es so aus: Die Familienkasse zahlt für 119 000 Kinder rumänischer Eltern. Zudem fließt die Leistung für 19 000 Kinder, die sich in Rumänien aufhalten. Bulgarische Eltern beantragten für 77 000 Kinder in Deutschland die Leistung, noch einmal 6700 leben im Heimatland. Auch deutsche Eltern beziehen in einigen Fällen Kindergeld für im EU-Ausland lebende Nachkommen, und zwar in 31 000 Fällen.