Das Glück liegt für John Gerzen direkt vor der Haustür in Remseck-Pattonville (Kreis Ludwigsburg). Der Daimler-Mitarbeiter hat eine Pizza-Backstube eröffnet.
Entspannt sitzt John Gerzen auf einem seiner beiden Thekenstühle. Noch ist es ruhig so gegen 13 Uhr. Der Pizza-Lieferdienst „Johnny‘s Pizza“ in der Pattonviller Ortsmitte öffnet erst dreieinhalb Stunden später. Zeit für ein Gespräch darüber, wie alles so gekommen ist. Und eine Gelegenheit für Gerzen, darüber zu reden, warum er sich derzeit so glücklich fühlt.
Das Bauchgefühl leitete ihn richtig. „Ich habe gleich gemerkt, dass hierin meine Chance liegt“, sagt der 33-Jährige und blickt zufrieden in die Backstube. Für seine Chefs durchaus überraschend wechselte der Daimler-Mitarbeiter vor drei Monaten seinen Arbeitsplatz: von der Aluminiumgießerei im Mettinger Mercedes-Werk direkt vor die eigene Haustür im Remsecker Stadtteil Pattonville. „Ich bin bis Juni 2026 offiziell freigestellt – dann muss man sehen, wie es endgültig weitergeht“, sagt der neue Unternehmer.
Die Veränderung nahm ihren Lauf, als der dreifache Familienvater vor etwa einem Jahr mitbekam, dass die Vorgängerin den Pizza-Lieferdienste aufgeben wollte. „Sie ist jetzt in der Reisebranche tätig. Macht Safaris, schwerpunktmäßig auf Sansibar“, erzählt Gerzen, der froh ist, bei einem bestehenden Kundenstamm nicht bei Null anfangen zu müssen.
Mit seiner eigenen Situation war John Gerzen bis dahin unzufrieden. Seine drei Kinder Diana (6), Alice (4) und Maxium (1) konnte er fast überhaupt nicht antreffen, wenn er bei Daimler nachmittags den Spätdienst antrat und abends erschöpft nach Hause zurückkehrte. „Meine Frau ist auch berufstätig – wir haderten mit der Situation und fühlten uns zusehends zermürbt.“ Besonders die schwer behinderte Alice brauche viel Aufmerksamkeit. Der Drei-Schichten-Rhythmus wirkte auf Gerzen toxisch.
John Gerzen sprang ins kalte Wasser und eignete sich alles an
Eine Lösung für das Problem sei ihm lange nicht eingefallen, dann habe sich ihm die Chance geboten, die Pizza-Backstube in der Columbusstraße zu übernehmen. Aber wie wird man ein Pizzabäcker, wenn man noch nie selbst einen Teig in einen professionellen Backofen mit einer möglichen Höchsttemperatur von 350 Grad geschoben hat? Gerzen sprang ins kalte Wasser: „Ich habe mir in dem Jahr alles angeeignet und bin bei meiner Vorgängerin durch alle Stationen gegangen: vom Fahrer bis zum Bäcker und der Rolle als Geschäftsführer.“
Zwei Monate lang arbeitete der gelernte Aggregat-Mechaniker als Fahrer. „Man muss schnell sein und darf beim Einpacken nichts vergessen – es wäre ärgerlich, wegen einer Cola-Dose noch mal losfahren zu müssen.“ Heute beschäftigt Gerzen einen Pool mit 15 Fahrern. Sie arbeiteten gerne bei ihm, da ihm ein familiäres Umfeld wichtig sei und man gerne ins Geschäft kommen sollte. „Wir lachen viel – wenn ich schon viel Zeit hier verbringe, soll es auch eine gute sein.“ Am Wochenende sprängen schon mal zwei oder drei Fahrer spontan ein, wenn die Auftragslage überborde.
Was aber ist das Geheimnis einer guten Pizza? In dieser alles entscheidenden Frage habe er sich auf seine eigenen Studien verlassen müssen. „Ich testete unwahrscheinlich viele Pizzen und probierte auch selbst in verschiedene Richtungen etwas aus“, erzählt der Neueinsteiger, der bekennt: „Das Geheimnis ist ein guter Teig.“ Frische Hefe, Salz, ein gutes Öl und eine Reifezeit von 48 Stunden im Kühlschrank wirkten Wunder. Die Mühen bescherten ihm ein positives Kundenfeedback mit einer Google-Bewertungsquote von 4,7 bei 37 Rezensionen.
Die meisten Kunden des Lieferdienstes stammen aus Pattonville
Die Kunden von Johnny’s Pizza schätzen den Geschmack, den knusprigen Rand und eine weiche Mitte. Fast alle Rezensenten bescheinigen dem Pizzabäcker, der zwei Kräfte in der Küche beschäftigt, frische Zutaten und einen reichlichen Belag – auch gehe er auf Sonderwünsche ein.
Die meisten Kunden stammen laut Gerzen aus Pattonville. Viele holten ihre Pizzen selbst ab, obwohl die Anlieferung nichts kostet. Die Lage des ehemaligen US-Kasernenstandorts zwischen Ludwigsburg, Kornwestheim und Remseck eröffne ihm einen erweiterten Aktionsradius.
Zu den Kunden zählen die Schüler der Erich-Bracher-Berufsschule, die in der Nähe liegt. Für sie öffnet John Gerzen auch am Montag und Donnerstag von 11.30 bis 13.30 Uhr. Ansonsten habe er von Montag bis Freitag immer von 16.30 bis 22 Uhr, am Samstag von 14 bis 22 Uhr und am Sonntag von 11 bis 22 Uhr geöffnet.