Die libanesische Familie Joubaili lebt seit 2013 in Deutschland und hat eine Wohnung, Arbeits- und Ausbildungsplätze gefunden. Nun droht den Eltern trotzdem die Abschiebung. Diese möchten Freunde und Bekannte mit einem Härtefallantrag beim Innenministerium verhindern.
Winnenden - Wenn Mohamad Joubaili von dem Land erzählt, in dem er geboren wurde, dann spricht der 19-Jährige von „der schwarzen Welt“. Einer Welt, in der sich bewaffnete alawitische Truppen – Anhänger des syrischen Präsidenten Assad – auf den Straßen der libanesischen Stadt Tripoli mit sunnitischen Nachbarn Schusswechsel liefern und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sich mehr und mehr ausbreitet. Eine Welt, in der Freunde vor seinen Augen erschossen und von Bomben getötet wurden, und in der er als Zwölfjähriger ein Sturmgewehr in die Hand gedrückt bekommen hat – als Vorbereitung auf einen Einsatz im benachbarten Syrien. Kämpfen oder Knast, das seien die Optionen für ihn und seinen Bruder gewesen, sagt Mohamad Joubaili.
Kann man es Eltern verdenken, dass sie ihren Kindern eine andere Zukunft ermöglichen wollen? Deshalb sind Abir und Zouheir Joubaili mit ihren Söhnen Mohamad und Ibrahim, damals beide im Teenager-Alter, im Jahr 2013 nach Deutschland geflohen und haben Asyl beantragt.
Das Asylverfahren ist abgeschlossen
Dort hat sich die Familie schnell ehrenamtlich engagiert und mit angepackt – zum Beispiel, als der Verein Weissach Klimaschutz konkret sein Ladenprojekt Bazärle ins Leben gerufen hatte. Die Anlaufstelle bietet unter anderem Beschäftigungsmöglichkeiten für Asylbewerber, ein Repair-Café und Upcycling-Workshops und ist im Jahr 2016 mit dem Bürgerpreis Rems-Murr ausgezeichnet worden.
„Die Joubailis sind richtige Vorzeigemigranten“, sagt Claudia Gollor-Knüdeler vom Verein. „Integrationswille war immer da, die Jungs haben alleine die Schule geschafft, die Eltern selbst Arbeit gefunden“, bestätigt Silke Müller-Zimmermann. Doch die Asylanträge der libanesischen Familie sind abgelehnt worden. „Das Asylverfahren ist abgeschlossen, da geht nichts mehr“, sagt Silke Müller-Zimmermann.
Der 20-jährige Ibrahim, ein angehender Kfz-Mechatroniker im zweiten Lehrjahr, und Mohamad, der im September eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker beginnt, sind als gut integrierte Jugendliche zunächst einigermaßen sicher vor einer Abschiebung. Anders ihre Eltern, obwohl diese ihren Unterhalt selbst bestreiten und eine Wohnung in Winnenden haben, in der sie auf Dauer bleiben können.
Antrag an das Innenministerium
Abir und Zouheir Joubailis einzige Chance, in Deutschland bei ihren Söhnen bleiben zu können, sei jetzt ein Härtefallantrag beim baden-württembergischen Innenministerium, erläutert Silke Müller-Zimmermann, die hofft, dass die Familie doch in Deutschland und zusammenbleiben darf.
„Ich würde lieber sterben als dort zu leben“, sagt Mohamad Joubaili, der von den Erlebnissen in seiner alten Heimat traumatisiert ist und bis heute psychologischen Beistand und vor allem den Rückhalt seiner Familie braucht. „Im Libanon zählen wir als Verräter“, fügt sein Bruder Ibrahim hinzu. Er schildert noch ein weiteres Problem: Seine Mutter, deren nächste Angehörige überwiegend Christen seien, werde von der Familie des Vaters, strenggläubigen Moslems, nicht akzeptiert und gegängelt. Erst hier in Deutschland habe sie die Chance bekommen, ihr Kopftuch abzulegen, sich frei zu bewegen und arbeiten zu gehen.
Chris Konzmann, in dessen Backnanger Autowerkstatt AMS der Familienvater Zouheir Joubaili derzeit als Fahrzeuglackierer arbeitet, sagt über seinen Mitarbeiter: „Er ist ein Glücksgriff. Ich würde ihn gerne sofort unbefristet beschäftigen, aber das geht nicht, weil seine Duldung nur bis zum 11. Juni geht.“ Für den Unternehmer, der sich auf die Instandsetzung von Unfallautos und die Restaurierung von Oldtimern spezialisiert hat, ist das ein großes Ärgernis, denn: „Es gibt keine Leute, und so ist es nahezu unmöglich, Mitarbeiter von Herrn Joubailis Qualität, mit solch einem hervorragenden Fachwissen und solchen handwerklichen Fähigkeiten zu engagieren.“ Er könne den ganzen Vorgang schlicht nicht nachvollziehen, sagt Chris Konzmann: „Wir reden hier immer vom Fachkräftemangel. Jetzt haben wir endlich mal einen guten Mann und müssen nun damit rechnen, dass er uns wieder weggenommen wird.“