Mit dem Wohnmobil auf der Panamericana: Eine tolle Überraschung hält die große Reise für eine Familie aus Ludwigsburg bereit, aber auch mehrere Pannen.
Für viele Eltern ist schon der normale Alltag mit kleinen Kindern herausfordernd. Wie aber lebt es sich zu viert auf nur zehn Quadratmetern? Diese Erfahrung macht gerade eine Familie aus der Barockstadt. Seit März 2024 sind die vier Ludwigsburger mit einem Wohnmobil auf Weltreise.
Unterwegs sind sie auf der Panamericana, einem kontinentübergreifenden Netzwerk von Schnellstraßen, das von Alaska bis nach Feuerland reicht und die Staaten in Nord- und Südamerika verbindet. Vor etwa zwei Jahren entstand die Idee, eine große Reise zu machen, sagt Sebastian Scheib.
Dem Kind etwas von der Welt zeigen
Mit seiner Frau Franziska (40) war der 45-Jährige mehrfach im Ausland. Nachdem die beiden das Wohnmobil im Jahr 2018 gekauft hatten, unternahmen sie Touren innerhalb von Europa. Auch die USA und Kanada hatte das Paar bereits bereist. „Als wir einmal einen Camper gemietet haben, kam erstmals der Gedanke auf, damit nach Alaska zu fahren“, erinnert sich Sebastian Scheib. Später wuchsen die Pläne und es kam der Wunsch auf, auf der Panamericana unterwegs zu sein.
Nach der Geburt des inzwischen fünfjährigen Sohnes wurden die Pläne konkreter. Die beiden verspürten den Drang, ihren stressigen Jobs in der Automobilbranche für eine Weile zu entfliehen. „Außerdem wollten wir mehr Zeit für unseren Sohn haben und ihm die Welt zeigen“, erklärt Sebastian Scheib. Um vor der Einschulung zurück in Deutschland zu sein, durfte das Paar nicht zu lange zögern. „Jetzt oder gar nicht“, dachten sich die beiden, reichten zwei Jahre Elternzeit ein und buchten Flugtickets nach Kanada.
Noch bis März 2026 will die Familie auf Achse sein. Alle zwei bis drei Tage ist sie in der Regel an einem anderen Ort. Nach Kanada, Alaska, den USA, Mexiko, Nicaragua, Costa Rica und Panama hat sie mittlerweile Kolumbien erreicht. Bis zum Frühjahr wollen sie in Patagonien ankommen und es bis nach Feuerland an der Südspitze Südamerikas schaffen.
Einen ungewöhnlich langen Aufenthalt, der ursprünglich nicht vorgesehen war, haben die Ludwigsburger in Mexiko eingelegt. Dort bekam die Familie im Februar diesen Jahres Zuwachs. Die kleine Tochter wurde in Mérida, einer Stadt im Norden der Halbinsel Yucatán, geboren. Von der Schwangerschaft hatte das Paar bereits in Kanada erfahren und die Routenplanung entsprechend angepasst. „Ich hatte viel Glück und es gab keine Komplikationen“, sagt Franziska Scheib. Sie wurde von Medizinern entlang der Route untersucht. Auch die Geburt sei eine schöne, für die ganze Familie besondere Erfahrung gewesen.
Abenteuerliche Zwischenfälle inklusive
Dabei ging es zwischenzeitlich abenteuerlich zu. Eine verzögerte Überfahrt und ein geplatzter Reifen verschoben die Ankunft der Familie in Mérida mehrfach nach hinten. Gut also, dass sich das Baby etwas länger Zeit ließ.
Auch darüber hinaus mussten die vier einige Herausforderungen meistern. Ungeplante Reparaturen und schlechte Straßenverhältnisse bremsten sie beispielsweise aus. Als besonders unangenehm haben sie zudem die Regenzeit empfunden. Die Nässe kroch überall hin, in den Schränken bildete sich Schimmel. Im Wohnmobil war es eng, heiß und stickig, aber die Fenster konnten wegen des Regens nicht weit geöffnet werden und ein Aufenthalt draußen war nur bedingt möglich. „Wie in dieser Situation sind wir mehrfach an den Punkt gekommen, an dem wir überlegt haben abzubrechen“, gesteht Sebastian Scheib. Dennoch habe er die Reise nie bereut. „Es war die beste Entscheidung unseres Lebens“, betont er.
Letztlich überwiegen die positiven Erlebnisse. Die faszinierenden Tiere in freier Wildbahn beeindrucken besonders den fünfjährigen Sohn. Sein Vater genießt die imposanten Ausblicke, die sich oft schon beim Aufwachen und dem Blick aus dem Fenster bieten. „Wir haben immer den größten Garten der Welt“, scherzt der 45-Jährige. Auch Franziska Scheib ist immer wieder aufs Neue erstaunt über die Schönheit der Landschaften. „Manchmal muss man sich kneifen“, sagt sie.
Vor allem die Begegnungen bleiben in Erinnerung
Noch eindrucksvoller sind nach ihrer Meinung allerdings die Begegnungen mit den Menschen. Als Indigene in Kanada bei einem Halt mitbekamen, dass der Sohn an diesem Tag Geburtstag hatte, überhäuften sie ihn spontan mit Geschenken, Besuchen und Gratulationen. Die Gastfreundschaft und Offenheit, die der Familie auf ihrer Reise immer wieder entgegengebracht worden ist, will sich das Paar unbedingt bewahren. „Diese Unvoreingenommenheit und Hilfsbereitschaft wollen wir an andere zurückgeben, wenn wir wieder in Deutschland sind“, sagt Franziska Scheib.
Trotz der schönen Zeit, die es gerade hat, freut sich das Paar auf seine Wahlheimat Ludwigsburg, wo es seit 2016 lebt. An der Stadt schätzt es die hohe Lebensqualität. Den wöchentlichen Besuch auf dem Wochenmarkt und die Wohnung vermisst die 40-Jährige in der Fremde. Der Sohn ist voller Vorfreude auf die Schule. Auch Sebastian Scheib könnte sich nicht vorstellen, auf Dauer auf Achse zu sein. „Aber wir haben gemerkt, wie privilegiert wir sind, dass wir eine solche Chance haben“, sagt er.