Verkehrsminister Hermann im Juni 2013 bei einem der ersten Richtungspfeile auf dem Asphalt. Foto: Max Kovalenko

17 Karambolagen und Beinaheunfälle durch Falschfahrer allein in der Region, Hunderte Warnmeldungen, fünf Tote im Land: Verirrte und verwirrte Autofahrer bleiben ein Problem – trotz neuer Markierungen auf den Zufahrten.

Stuttgart - Weiß der Himmel, wie die unbekannte Golf-Fahrerin vor einer Woche auf diesen falschen Kurs geraten war. Mitten im viel befahrenen Autobahn-Dreieck Leonberg war die etwa 60 Jahre alte Frau in falscher Richtung unterwegs – und kam allen in die Quere, die von der A 8 aus Karlsruhe auf die A 81 nach Heilbronn wollten. Zum Glück kam es zu keiner Kollision.

Wo hatte sich die Frau verfahren? Wo wollte sie eigentlich hin? Wer war sie? Nach einer Woche hat die Autobahnpolizei den Fall abgehakt: „Nichts, keine Hinweise“, sagt Polizeisprecher Peter Widenhorn, „die Unbekannte ist nicht mehr zu ermitteln.“ Immerhin hat es keinen Unfall gegeben – und so atmen alle einfach noch mal durch.

Allerdings sind die Autobahnen bei Leonberg für solche Zwischenfälle ein Brennpunkt in diesem Jahr. Erst Mitte Oktober war ein 81-jähriger Opel-Fahrer als Geisterfahrer im Engelbergtunnel unterwegs. Die Polizei konnte ihn auf der A 8 nach München stoppen. Beschädigte Außenspiegel deuteten auf einen Unfall hin. Der Fahrer und seine 80-jährige Beifahrerin waren verwirrt, es handelte sich um US-Amerikaner, die erst an diesem Tag in Bayern angekommen und mit dem Mietwagen unterwegs waren.

Ein weiterer Zwischenfall spielte sich Ende März ab, als eine 38-jährige Autofahrerin im Engelbergtunnel gleich zweimal wendete und auf der A 81 von der Polizei gestoppt werden musste. Die Ursache war hier eine andere: Die Frau war betrunken.

Altersüberforderung oder Alkohol – da helfen auch neue Markierungen mit glitzernden Pfeilen auf der Fahrbahn offenbar nur bedingt. Die Aktion, vor anderthalb Jahren von Landesverkehrsminister Winfried Hermann gestartet, sollte möglichst rasch eine Notmaßnahme gegen Falschfahrer sein. Am Montag zeigte sich Hermann zufrieden: „Die Markierungen sind eine praktische Lösung, die man sofort umsetzen konnte.“

An der A-8-Anschlussstelle Esslingen, wo Hermann im Juni 2013 höchstselbst Richtungspfeile auf die Fahrbahn der Zufahrten gemalt hatte, meldet der Minister Vollzug. 156 Anschlussstellen an Autobahnen, 50 an größeren Bundesstraßen, 150 Zufahrten an Rastplätzen und 39 an Tank- und Rastanlagen sind per Pinselstrich klarer gekennzeichnet. 1,5 Millionen Euro hat das Sofortprogramm gekostet – mit Markierungen, die auch noch nach Jahren bei Dunkelheit im Scheinwerferlicht glitzern.

Natürlich gebe es noch viele andere Ideen, um Autofahrer auf dem rechten Weg zu behalten, sagt Hermann. Etwa die österreichische Lösung mit den großen leuchtenden Warntafeln. Oder Lichtschranken, die Warnleuchten auslösen. „Es gibt viele Lösungen“, sagt Hermann, „aber die wären auch nach Jahren noch nicht umgesetzt.“ Dabei wurden nicht nur Richtungspfeile auf den Asphalt der Zufahrtsrampen eingebrannt. Auch durchgezogene Markierungen entlang der Linksabbiegespur sollen die Autofahrer auf die richtige Seite der Mittelleitplanke dirigieren. Minister Hermann findet, dass schnell und kostengünstig gearbeitet wurde: „Wir haben unseren Job in Baden-Württemberg gemacht, so schnell es irgendwie ging.“

Ein Seitenhieb auf die Bundesregierung, die auch nach Jahren nichts Sichtbares auf die Straße gebracht hat. Im Frühjahr 2013 hatte der damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) dafür plädiert, wie in Österreich große, neongelbe Warntafeln an Autobahnzufahrten aufstellen zu lassen. Arbeitsgruppen tagten.

Freilich: Wenn Autofahrer mit über 1,8 Promille unterwegs sind, wie jetzt am Sonntag auf der A 5 zwischen Offenburg und Lahr, dann gehen alle Warnungen im Herbstnebel und Alkoholdunst unter. Glücklicherweise gab es durch die Irrfahrt eines 24-Jährigen nur vier Verletzte. Vor fast genau zwei Jahren hatte es auf der gleichen Strecke sechs Tote gegeben.

Offizielle Unfallzahlen hat das Innenministerium nicht parat. Die Unfalldatenbank unserer Zeitung weist in der Region Stuttgart 17 Karambolagen und Beinaheunfälle aus – diesen Wert hatte es im gesamten Jahr 2013 auch schon gegeben. Landesweit sind in diesem Jahr fünf Menschen durch Falschfahrten ums Leben gekommen. Der bisher letzte Tote in der Region war ein 39-Jähriger, der im Mai auf der B 10 bei Eislingen im Kreis Göppingen unterwegs war. Der ortsunkundige Slowake hatte bei Nacht die Orientierung verloren.