In der Kirche von Sankt Karl Borromäus in Winnenden hat sich ein Schwindler für kurze Zeit als Priester ausgegeben. Foto: Gottfried Stoppel

Ein falscher Priester hat in Winnenden sein Unwesen getrieben: Er hat Gottesdienste gefeiert, die Taufe gespendet und 5700 Euro gestohlen.

Nein, sagt Rupert Kern. Auf den ersten Blick habe nichts darauf hingewiesen, dass es sich bei dem jungen Mann, der im Sommer für einige Tage das Pfarrhaus der Gemeinde Sankt Borromäus in Winnenden bewohnte, um einen Hochstapler handelt. „Er trug Soutane und Römerkragen, kannte sich mit Ritualen und Formen der katholischen Kirche genau aus“, erinnert sich der Vorsitzende des Kirchengemeinderats. Dass es sich bei dem vermeintlichen guten Hirten aber um ein schwarzes Schaf mit krimineller Energie handelt, das sich Tausende Euro der Gemeinde in die eigene Tasche steckt, sollte sich Tage später zeigen.

Aushilfspriester übernimmt Gottesdienste

Doch der Reihe nach: Die Gemeinde hat schon länger keinen leitenden Pfarrer mehr. Während der Aushilfspriester aus Ghana im Urlaub weilt, übernimmt ein anderer Aushilfspriester vorübergehend die Gottesdienste. „Dieser zweite Aushilfspriester aus Uganda hat mich gefragt, ob ihn ein befreundeter Priester für ein paar Tage besuchen und im Pfarrhaus wohnen könnte“, sagt Kern. Er kann. Platz und Vertrauen sind reichlich vorhanden.

Am 6. Juli kommt also der junge Mann in der beschriebenen priesterlichen Garderobe und zieht ins Pfarrhaus. Gemeinsam mit dem Aushilfspriester besucht er bis Sonntag fünf Gottesdienste, spricht in zwei Fällen die Wandlungsworte der Eucharistiefeiern und spendet in einem Fall sogar den Taufsegen. Rupert Kern begegnet dem Gast das erste Mal an jenem Sonntag, als er ihn zum Taufgottesdienst chauffiert. „Unser Aushilfspfarrer war bei einer anderen Gemeinde eingesetzt, und derjenige, der die Taufe spenden sollte, konnte nicht.“ Da schien das Angebot des Besuchspriesters, die Taufe zu übernehmen, höchst willkommen.

Erste Zweifel kommen

Erste Zweifel an der Aufrichtigkeit des Mannes kommen Kern im Auto, als er seinen Fahrgast fragt, warum der keiner eigenen Pfarrei vorsteht, wo junge Pfarrer doch händeringend gesucht seien. Als sein Fahrgast behauptet, er arbeite eigentlich in der Verwaltung des Bistums Mainz, habe sich mit dem Pfarrer überworfen, und weitere Antworten dünn ausfallen, setzt sich Kern zu Hause an den Computer und sucht nach dem Namen des vermeintlichen Priesters. Dort findet er aber nur das Foto eines Namensvetters. „Das hat mich noch mehr in Zweifel gestürzt, aber das habe ich zunächst für mich behalten.“ Denn Kern muss sich noch um etwas anderes kümmern: Am Samstagabend hatte ein Mitarbeiter der Gemeinde bemerkt, dass vom Konto, das nur für Zeltlager verwendet wird, 5700 Euro abgebucht wurden. Die EC-Karte dazu befand sich nebst PIN-Nummer in einer Schublade im Pfarrhaus.

„Die Karte haben wir daraufhin sofort gesperrt“, sagt Kern. Mit detektivischem Eifer macht sich der 71-Jährige daran, die Abbuchungen nachzuvollziehen. Und siehe da: „Am Freitag wurde mit der EC-Karte im Corona-Testzentrum bezahlt.“ Kommissar Zufall spielt Kern in die Hände. Eine Mitarbeiterin hat den „Priester“ gesehen, wie er sich dort testen ließ und hat es Kern gemeldet. Der verständigt am Montag sofort die Polizei und bringt den Fall zur Anzeige.

Es stellt sich im Laufe der Recherche heraus: Der Schwindler stammt aus Germersheim und hat nur 22 Jahre auf dem Buckel. Auf dem Kerbholz hat er einiges mehr: Auf Rechnung des Bistums Speyer hat er einen Kelch, eine Hostienschale und eine Stola bestellt. Außerdem findet Kern nach und nach heraus, dass mit der EC-Karte insgesamt 30 Abbuchungen getätigt wurden, an einem Tag 24 hintereinander. Weil die Bankautomaten täglich nur eine bestimmte Maximalsumme auszahlen, besuchte der falsche Geistliche an einem Tag vier Lebensmittelmärkte mehrmals hintereinander und ließ sich dort zu seinen Einkäufen jeweils 200 Euro in bar auszahlen. Auch hierfür gebe es Zeugen. „Von den 5700 Euro hat die Polizei 2000 Euro konfisziert und der Gemeinde wiedergegeben“, sagt Kern. „Den Rest sehen wir wohl nie wieder.“

Der Hochstapler ist verschwunden

Das gilt wohl auch für den Hochstapler. Nachdem er von der Polizei verhört worden war, sei er verschwunden, sagt Kern. Das Bistum Speyer hat ebenso wie die Gemeinde in Winnenden Strafanzeige gestellt. Die Polizei möchte sich zu laufenden Ermittlungen nicht äußern. Nur so viel: Es wurde ein Verfahren wegen des Verdachts des Diebstahls, Betrugs und des Missbrauchs von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen eingeleitet. Sowohl nach staatlichem wie nach kirchlichem Recht steht es unter Strafe, sich fälschlich als katholischer Priester auszugeben. Das unbefugte Führen von Amts- und Dienstbezeichnungen, öffentlichen Würden und das unbefugte Tragen von Amtsbekleidungen ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe belegt.

Doch wie konnte man dem jungen Mann überhaupt aufsitzen? „Unser Aushilfspriester kannte ihn als Ministrant und Jugendleiter während dessen Zeit in Germersheim.“ Beide hätten seit 2013 über die Jahre lose Kontakt via Internet gehalten. Als der junge Mann dann behauptet hat, er sei zum Priester geweiht, habe der Aushilfspfarrer keinen Verdacht geschöpft. „Er wurde genauso hinters Licht geführt wie wir“, sagt Kern. Taufe und Gottesdienste seien dennoch gültig.

Kein Vertrauensvorschuss mehr

Derartigen Vertrauensvorschuss soll es in Sachen Priesteramt künftig nicht mehr geben: „Wenn in Zukunft ein Priester zu uns kommt und sagt, er möchte Gottesdienste feiern, dann muss er sich Tage vorher im Pfarrbüro melden und eine aktuelle Bestätigung seines Bischofs vorlegen, dass er Priester ist“, erklärt der Kirchengemeinderatsvorsitzende. „Dann haben wir genug Zeit, um Rücksprache mit der Diözesanverwaltung zu halten.“ Getroffen hat diese Regelung bereits einen Priester aus Malta. Der kam 15 Minuten vor dem Gottesdienst an – und musste unverrichteter Dinge wieder gehen.