Die Heilbronner Polizei freut sich über ihren Fahndungserfolg Foto: dpa-Zentralbild

Die Heilbronner Polizei hat eine Bande ausgehoben, die ältere Leute um ihr Geld gebracht haben sollen.

Heilbronn - Die Anrufe kamen vor allem nachts. „Hier spricht die Polizei, wir haben Hinweise darauf, dass bei Ihnen eingebrochen werden soll. Haben Sie Bargeld oder Schmuck zuhause?“ – wer darauf mit einem Ja antwortete, den hatten die mutmaßlichen Mitglieder einer Betrügerbande am Haken. Und sie ließen ihr Opfer solange nicht wieder los, bis es machte, was sie wollten: ihnen in einer Nacht-und-Nebelaktion das Vermögen auszuhändigen.

20 Mitglieder dieser Bande hat die Heilbronner Kriminalpolizei nun nach monatelanger aufwendiger Recherche am Wickel. Sie sollen seit Oktober zwölf älteren Menschen insgesamt 500 000 Euro abgeknöpft haben. Die Gruppe soll in Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Ludwigsburg, Mannheim, Pforzheim, Speyer, Sinsheim und den Kreisen Hohenlohe und Bergstraße (Hessen) ihr Unwesen getrieben haben. Etwa 150 000 Euro der Beute konnte die Polizei sicherstellen.

Mutmaßlicher Haupttäter kommt aus Viernheim in Hessen

Drei mutmaßliche Täter, ein 20-Jähriger aus dem hessischen Viernheim, den die Polizei für einen der Strippenzieher der Gruppe hält, ein 23-Jähriger und eine 19-jährige Viernheimerin sitzen in Untersuchungshaft. Zwei weitere wurden gegen Auflagen entlassen, einer ist noch auf der Flucht. Die 14 anderen halten sich teils in der Türkei auf. Die dortigen Behörden werden nun mit dem Fall betraut.

Es ist eine junge Truppe. Der Jüngste ist 16, der älteste 29 Jahre alt. Sie alle müssen mit einer Anklage wegen gewerbsmäßigen Betrugs rechnen. Die Heilbronner Kripo hatte im Oktober eine siebenköpfige Ermittlungsgruppe eingesetzt. Denn Telefonbetrügereien boomen. Dabei geben sich Kriminelle immer häufiger als Polizisten aus. In Baden-Württemberg sind im Jahr 2017 insgesamt 1955 solcher Fälle angezeigt worden. 112-mal überzeugten die Täter ihre Opfer und nahmen ihnen mehr als fünf Millionen Euro ab. Doch allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres wurden bereits mehr als 5000 Versuche aktenkundig, bei denen falsche Polizisten Geld ergaunern wollten. Im Bereich der Heilbronner Polizei etwa, dem flächenmäßig größten im Land, wurden von Januar bis September des vergangenen Jahres 600 solcher Abzockversuche registriert.

Echte Polizisten beklagen Vertrauensverlust

„Wir haben das Thema zum operativen und präventiven Schwerpunkt gemacht“, sagt der Polizeipräsident Hans Becker. Diese Taten seien nicht nur sehr sozialschädlich, weil vor allem Ältere um ihr Erspartes gebracht würden. In den aktuellen Fällen waren die Opfer zwischen 63 und 85 Jahren alt. Auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei leide. „Wir müssen uns mittlerweile drei-, viermal ausweisen, bis uns die Leute ins Haus lassen“, so Becker.

Die Bande sei sehr professionell vorgegangen. Telefonbücher wurden auf Namen durchsucht, die vermutlich zu älteren Leuten gehörten, berichtet Thomas Schöllhammer, der Leiter der Kriminaldirektion. Auf dem Display der Opfer erschien die Notrufnummer 110 – eine gefälschte Nummer, denn in Wirklichkeit riefen die mutmaßlichen Täter von Callcentern in der Türkei aus an. Und sie bearbeiteten ihre verunsicherten Opfer teils über mehrere Stunden hinweg, bis sie ihnen weisgemacht hatten, dass ihr Geld nicht auf der Bank und auch nicht unter der Matratze sicher sei, sondern nur bei den Anrufern. Die Opfer händigten ihr Vermögen schließlich entweder direkt den Männern aus oder legten es wie vereinbart vor die Haustür.

Die Ermittler recherchierten in den vergangenen Monaten ohne Pause. In der Nacht zum Mittwoch mehrten sich Hinweise, wonach die Bande einer 72-Jährigen aus Viernheim 200 000 Euro an Schmuck, Goldbarren und Geld abgenommen hatten. Die Ermittler folgten dem 20-Jährigen zu einem 23-jährigen Schmuckhändler in Mannheim und fanden die Beute auf dem Tisch. Sie kamen genau richtig: Das Gerät zum Einschmelzen des Goldes stand schon bereit. Eine Rückverfolgung zum Besitzer wäre dann unmöglich gewesen.

Wie man Abzocker am besten abblitzen lassen kann

Nicht unterschätzen
„Mir kann das nicht passieren?“ – da sollte man sich mal nicht so sicher sein. Die Polizei warnt davor, Abzocker, die sich als Polizisten ausgeben, zu unterschätzen. Auch patente Menschen fielen auf die äußerst redegewandten und einfühlsamen Betrüger herein. Mal wird vor einem angeblich geplanten Einbruch gewarnt, mal geht es um vermeintliches Falschgeld. Die Täter scheuten vor nichts zurück, sagt der Heilbronner Kripochef Thomas Schöllhammer. „Da kommt dann ein angeblicher Staatsanwalt ans Telefon und erklärt, man mache sich strafbar, wenn man die Wertsachen jetzt nicht der Polizei übergebe.“

Nicht lange reden
Die Telefonate erfolgten häufig mitten in der Nacht und – wie in den konkreten Heilbronner Fällen – unter der Notrufnummer 110, die die Betrüger über das Internet gefälscht haben. Wenn nachts ein Anruf eines angeblichen Polizisten erfolgt, soll man sich nicht in ein Gespräch verwickeln lassen, sondern auflegen und die 110 wählen. Wichtig dabei ist, die Ziffern erneut einzugeben und eben nicht einfach die Rückruftaste drücken. Sonst landet man bei dem Callcenter, von dem aus die Betrüger arbeiten.

Nicht stillhalten
Bei Telefonbetrug ist die Dunkelziffer hoch. Jeder Betrug, auch jeder Versuch, sollte sofort der Polizei gemeldet werden.