Am Montag beginnt die Wiederaufnahme des Prozesses gegen Gustl Mollath. Foto: dpa

Die verlorene Ehre der bayrischen Justiz: Ex-Psychiatrie-Insasse Gustl Mollath muss sich erneut wegen seiner angeblichen Gewalttaten verantworten. Der Prozess sei für ihn „lebensentscheidend“, sagte er den Stuttgarter Nachrichten

Die verlorene Ehre der bayrischen Justiz: Ex-Psychiatrie-Insasse Gustl Mollath muss sich erneut wegen seiner angeblichen Gewalttaten verantworten. Der Prozess sei für ihn „lebensentscheidend“, sagte er den Stuttgarter Nachrichten.

München - Hat Gustl Ferdinand Mollath am 12. August 2001 seine damalige Ehefrau Petra 20 Mal geschlagen, bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und gebissen? Hat er sie Monate später für eineinhalb Stunden in der Wohnung festgehalten? Und hat der Mann aus Nürnberg Anfang 2005 dutzende Reifen von Autos zerstochen, deren Besitzer er als Gegner im Scheidungskrieg und bei seinen Schwarzgeld-Vorwürfen ansah? Mit all diesen Fragen muss sich von diesem Montag an erneut ein Gericht befassen. Vor dem Landgericht Regensburg beginnt heute das Wiederaufnahmeverfahren in Sachen Gustl Mollath.

Bei diesem Prozess geht es um weit mehr als schwere Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung. Es geht um den Kampf des heute 57-Jährigen gegen seine Zwangseinweisung in die Psychiatrie für gefährliche Straftäter, wo er siebeneinhalb Jahre weggesperrt war. Mollath bestreitet die ihm vorgeworfenen Gewalttaten – vielmehr sei seine Frau auf ihn losgegangen, er habe sich lediglich gewehrt. Die Reifenstechereien habe er nicht begangen. Zeugen und Beweise gibt es keine. 

Die Vorwürfe, seine Frau und weitere Mitarbeiter der Hypo-Vereinsbank würden Schwarzgeld in die Schweiz verschieben, waren ihm nicht geglaubt worden. Es gab trotz unzähliger von ihm aufgestellter Listen und erhobener Anzeigen keine Ermittlungen. Stattdessen waren ihm ein „paranoides Gedankensystem“, eine „wahnhafte psychische Störung“ sowie Gemeingefährlichkeit attestiert worden. Die Folge: Mollath galt als unzurechnungsfähig, wurde deshalb zwar freigesprochen, kam aber in die Psychiatrie. Ende 2012 jedoch kam die Wende: Ein Bericht der Hypo-Vereinsbank tauchte auf, laut dem sich viele Vorwürfe Mollaths als zutreffend herausstellten.

Der Fall erschütterte nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland massiv das Ansehen von Justiz, Politik und Psychiatriegutachtern. Bayerns damalige Justizministerin Beate Merk (CSU) wurde wegen schlechten Krisenmanagements im Fall Mollath aus dem Amt entfernt. Auch der Psychiater Klaus Leipziger, Leiter der Bayreuther Forensik, geriet massiv in die Kritik. Er hatte das ausschlaggebende Gutachten verfasst, und Mollath in seiner Klinik eingewiesen.

Gustl Mollath ist ein Querkopf, schrullig, oft starrsinnig. Der Prozess sei für ihn „lebensentscheidend“, sagte er den Stuttgarter Nachrichten. Vor gut einem Jahr wurde Mollath in Bayreuth entlassen, er hat erreicht, was im Justizwesen als nahezu unerreichbar gilt: eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Der alte Prozess, 2006 an einem Tag durchgezogen, ist damit aufgehoben. Die Uhr wird auf null zurückgestellt, alles wird neu verhandelt.

Die Strafkammer unter Vorsitz der Richterin Elke Escher will ihre Arbeit offenbar gründlich machen. Bisher sind 17 Verhandlungstage bis Ende August mit 42 geladenen Zeugen anberaumt. Darunter Mollaths Ex-Frau Petra M., Bekannte aus dem Umfeld des einstigen Ehepaares, damalige Ärzte und Sprechstundenhilfen, Polizisten, Richter, Rechtsanwälte. Und natürlich die begutachtenden Psychiater – Klaus Leipziger und zwei seiner Kollegen.

Doch die Planung könnte schon am heutigen ersten Verhandlungstag durcheinandergeraten. Mollath will den neuen, vom Gericht bestellten psychiatrischen Gutachter, den Münchner Forensik-Professor Norbert Nedopil, nicht akzeptieren. Dieser habe, so Mollath, selbst einmal gesagt, dass viele Psychiatrie-Gutachten falsch seien. Solange Nedopil als Sachverständiger im Verhandlungssaal sitze, will Mollath nicht aussagen.

Ob es zu einem Zusammentreffen zwischen Mollath und seiner Ex-Frau kommt, ist ebenfalls noch offen. Wie ihr Rechtsanwalt Jochen Horn unserer Zeitung bestätigt, wird sie, die auch Nebenklägerin ist, die Zeugenaussage verweigern. Dennoch müsste sie als Zeugin erscheinen. Derzeit ist beantragt, dass sie wieder ausgeladen wird und man ihre früheren Aussagen verwendet. Petra M., die nach der Scheidung von Mollath einen früheren Bank-Kollegen geheiratet hat, entzieht sich der Öffentlichkeit.

Eine Bestrafung hat Mollath nicht zu befürchten, selbst wenn er schuldig gesprochen würde. Der Freispruch aus dem vorherigen Prozess darf nicht zu Ungunsten des Angeklagten verändert werden. Bleibt die Möglichkeit einer erneuten Einweisung aufgrund eines neuen Gutachtens – was allerdings als ausgeschlossen gilt. Mollath aber geht es ums Prinzip: Er will einen Freispruch und seine „vollständige Rehabilitierung“.