Sie verschwand 1983 spurlos im Vatikan: Die damals 15-jährige Emanuela Orlandi. Foto: AFP

Emanuela Orlandi ist 1983 im Vatikan spurlos verschwunden. Doch nun gebe es neue Hinweise, sagt die Familie des damals 15-Jährigen Mädchens. Sie führen zu einem Grab auf dem deutschen Friedhof im Vatikan.

Rom - Trügt die Idylle? Der deutsche Friedhof, der innerhalb der Vatikanmauern liegt, wird gerne als der friedlichste Ort der sonst so quirligen ewigen Stadt bezeichnet. Palmen und Zypressen wachsen hier im Schatten des Petersdoms in den Frühlingshimmel. Ist dies der Schauplatz, an dem einer der mysteriösesten Fälle der römischen Kriminalgeschichte endlich aufgeklärt wird? Sind hier die Knochen der vor 36 Jahren verschwundenen Emanuela Orlandi versteckt? Die Anwältin der Familie jedenfalls hat nun die Öffnung eines der Gräber offiziell beim Vatikan beantragt.

Ein weißer Engel mit gesenktem Kopf soll ein Geheimnis hüten. Vor den Knien hält er ein Schild in den Händen: „Requiescat in pace“ steht darauf. Ruhe in Frieden. Darunter findet sich das Grab des deutschen Kurienkardinals Gustav von Hohenlohe, der 1896 gestorben ist. „Sucht dort, wohin der Engel zeigt“, heißt es in einem anonymen Schreiben, das im vergangenen Sommer bei der Anwältin der Familie Orlandi eingegangen ist.

Es wäre nicht das erste Grab, das geöffnet wird auf der Suche nach dem Mädchen

Der bis heute ungeklärte Fall der im Sommer 1983 verschwundenen Emanuela Orlandi ist auch nach mehr als 30 Jahren nicht in Vergessenheit geraten. Das letzte Foto des Mädchens, mit dem Stirnband im Haar und dem freundlichen Lächeln, geistert noch immer durch die Köpfe und die Medien Italiens. Emanuela lebte als Tochter eines Kammerdieners von Papst Johannes Paul II. mit ihrer Familie im Vatikan. Von ihrem Flötenunterricht nahe der Piazza Navona in Roms Innenstadt ist die damals 15-Jährige am 22. Juni 1983 nicht mehr heimgekehrt. Seitdem fehlt von Emanuela jede Spur.

An Theorien, was mir ihr geschehen sein mag, mangelt es nicht. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Grab geöffnet würde in der Hoffnung, eine Spur von Emanuela zu finden. 2012 wurde der Mafiaboss Enrico De Pedis exhumiert. Seine ehemalige Geliebte hatte im italienischen Fernsehen gesagt, der Mafioso habe Emanuela im Auftrag von Monsignore Paul Marcinkus entführt, weil dieser damit seine Macht gegenüber dem Papst habe demonstrieren wollen. Angeblich soll Marcinkus nach dem Verschwinden anonyme Anrufe getätigt haben, in denen er sagte, er wisse, wo Emanuela sich befinde. Damit sollte – so die Legende – Ali Agca freigepresst werden, der ein Attentat auf Papst Johannes Paul II. verübt hatte und dafür im Gefängnis saß. Im Grab von De Pedis war von Emanuela jedoch keine Spur.

Im Oktober vergangenen Jahres war die Aufregung erneut groß. Bei Bauarbeiten in der Villa Giorgina in Rom, dem Sitz der vatikanischen Botschaft in Italien, wurden menschliche Knochen entdeckt. Waren dies die Überreste von Emanuela? DNA-Tests ergaben letztendlich, dass die Funde aus der Antike stammen, sie wurden auf einen Zeitraum zwischen 90 und 230 vor Christus datiert.

Alle warten auf Antwort aus dem Vatikan

Nun steht also das Grab von Gustav von Hohenlohe auf dem Deutschen Friedhof im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. „Ich bin sehr skeptisch, ich glaube nicht, dass man Emanuela dort finden wird“, sagt Emiliano Fittipaldi, italiensicher Journalist und Buchautor, der bei den Enthüllungen des Vatileaks-Skandals um die finanziellen Machenschaften im Vatikan eine tragende Rolle spielte. Die Geschichte des Grabes ist außerdem nicht neu: Fittipaldi hatte die Theorie bereits in einem Buch Ende 2017 am Rande erwähnt – Quellen aus dem Vatikan hatten ihm gesagt, dass immer wieder an dem Grab gebetet werde und Blumen abgelegt würden. So erzählt es nun auch die Anwältin der Orlandis. „Wenn die Überreste von Emanuela da wirklich gelegen haben sollten, dann hat man sie doch bestimmt schon längst beseitigt“, so der Vatikan-Insider Fittipaldi. Erste Ermittlungen hätten ergeben, dass das Grab mindestens einmal geöffnet wurde, sagt Anwältin Laura Sgrò. „Und, dass die Grabplatte älter ist als die Engelsfigur, die darauf deutet.“ Aus dem Vatikan heißt es, die Anfragen der Familie würden geprüft. Die Familie Orlandi und ganz Italien wartet auf eine Antwort.