Vier Kinder haben in Essen versucht, eine 80-jährige Frau auszurauben. Nachrichten wie diese scheinen nahezulegen: Die Jugend wird immer gewalttätiger. Doch stimmt das überhaupt? Ein Faktencheck.
Essen - Vier Kinder haben im nordrhein-westfälischen Essen eine 80-jährige Frau zu Boden gestoßen und versucht sie auszurauben. Die Täter sollen nach Polizeiangaben zehn bis zwölf Jahre alt sein und dunkle Kleidung getragen haben. Der Vorfall ereignete sich bereits am Sonntag.
Das Diebes-Quartett sprach die Rentnerin gegen 18.45 Uhr im Essener Stadtteil Kray an. Ein Junge schubste die Seniorin zu Boden und wollte ihr die Handtasche entreißen. Das resolute Opfer wehrte sich aber und rief laut um Hilfe. Daraufhin ließen die Kinder von der Frau ab und ergriffen ohne Beute die Flucht.
Kriminelle Minderjährige
Immer wieder kommen kriminelle Kinder und Jugendliche wegen schwerer Straftaten in die Schlagzeilen. So raubten im August in Herne (Nordrhein-Westfalen) ein Zwölf- und ein Achtjähriger eine 29-jährige Passantin aus und stahlen ihr die Brieftasche, als sie gerade aus einer Bank kam. Die Täter flüchteten mit dem Fahrrad.
Im Mai versuchten zwei zehn- und elfjährige Mädchen in Chemnitz (Sachsen) einer 66-Jährigen die Handtasche zu entreißen, als diese gerade ihr Auto aus der Garage holen wollte. Die Täterinnen schlugen und traten auf die Frau ein. Erst als eine weitere Frau dazu kam, ließen sie von ihrem Opfer ab und suchten das Weite.
Schulschwänzen: Risikofaktor für Gewaltverhalten
Wie kriminell sind Jugendliche in Deutschland? Nimmt die Zahl der gewaltbereiten Minderjährigen zu? Nein, im Gegenteil. Laut einer im Januar 2018 veröffentlichten Langzeitstudie der Kriminologen Dirk Baier, Christian Pfeiffer und Sören Kliem ist die Jugendkriminalität in Deutschland stark rückläufig. Demnach hat sich zwischen 2007 und 2015 der Anteil der Tatverdächtigen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren pro 100 000 Jugendliche halbiert – ein Minus von 50,4 Prozent.
Faktoren, die diese Entwicklung begünstigen, sind laut der Studie („Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland – Schwerpunkte: Jugendliche und Flüchtlinge als Täter und Opfer“) vor allem der Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit, der deutlich gesunkene Alkoholkonsum unter Heranwachsenden sowie der Anstieg des Bildungsniveaus.
Auch würden weniger Schüler dem Unterricht fernbleiben. Schulschwänzen ist den Experten zufolge ein „Risikofaktor für Gewaltverhalten“.
Bildung ist das beste Mittel gegen Jugendkriminalität
Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg schreibt in seinem „Faktencheck Jugendkriminalität“: „Auch wenn viele bei Jugendlichen gegen das Gesetz verstoßen, wächst sich dieses Verhalten in der Regel von selbst aus. Der Höhepunkt ist meist mit 14 oder 15 Jahren erreicht, danach nimmt die Neigung, rechtliche Grenzen zu überschreiten deutlich ab.“
Auch die Zahl der Gewalttaten bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist demzufolge deutlich zurückgegangen. Studien aus Städten mit vielen Migranten wie Hannover oder Duisburg haben der Max-Planck-Gesellschaft zufolge gezeigt: „Wenn junge Migranten gleichwertige Bildungschancen bekommen wie deutsche Jugendliche, gehen auch die Unterschiede in der Gewalttätigkeit zurück.“