Menschen, die Unternehmen mit einer Fake-Bewertung im Internet erpressen, machen sich strafbar. In Baden-Württemberg scheinen sich die Fälle auf wenige Branchen zu beschränken. Die Devise für Betroffene: Nicht nachgeben.
Stuttgart - Bewertungen im Internet, etwa über Produkte, das Hotel im Urlaubsort oder die Zahnärzte in der Stadt, bieten vielen Menschen eine teils alltägliche Orientierungshilfe. Für Unternehmen und Dienstleister hingegen bedeuten die Online-Ratings im Extremfall entweder eine hervorragende Reputation im Netz oder ein existenzgefährdendes Desaster. Das wissen auch die Kunden – und so finden sich im Internet zahlreiche, meist englischsprachige Foren, in denen sich mitunter ausgetauscht wird, wie Unternehmen mit negativen Kommentaren unter Druck gesetzt werden können. Das Stichwort: Fake-Bewertungen, in denen User falsche Behauptungen über das Produkt oder die Dienstleistung im Internet verbreiten.
„Ich weiß von einem Fall, da hat ein Hotelgast an der Rezeption einen Preisnachlass gefordert, ohne irgendeinen Grund zu nennen. Bekommt er den Rabatt nicht, drohte der Gast mit einer schlechten Bewertung online“, sagt Daniel Ohl, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Baden-Württemberg. Der Verband fasst 12.500 Mitglieder und organisiert etwa 80 Prozent des Branchenumsatzes. Der betroffene Unternehmer habe auf die einzig richtige Art und Weise reagiert: „Er hat den Gast rausgeworfen.“
Häufig geht es um Kosten
Derartige Aktionen sind mehr als das Austauschen von Meinungen, sagt Michael Erath, Fachanwalt für Strafrecht in Stuttgart: „Eigentlich handelt es sich dabei immer um Erpressung“, weil die entsprechende Person dem Unternehmer mit einem empfindlichen Übel drohe. Jemanden zu nötigen, beispielsweise Rabatte zu geben, führe konkret zu einem Vermögensnachteil für den Betroffenen. „Auch Unternehmen sind gegen falsche Angaben über sich im Internet geschützt“, so Erath. Er beruft sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2014. Die Richter entschieden dort in Bezug auf falsche Bewertungen im Internet, dass diese ein Eingriff in das im Grundgesetz verankerte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen.
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Gefeit ist vor Fake-Bewertungen niemand. Einige baden-württembergische Branchenverbände geben zwar auf Nachfrage an, nichts oder nur wenig von derartigen Vorfällen bei ihren Mitglieder zu wissen, im Internet finden sich jedoch zahlreiche Berichte meist privater Dienstleister, die von Drohungen mit falschen Bewertungen betroffen sind. „Das kann jeden Tag jeden von uns erwischen“, sagt Thomas Steidl, Präsident der Landestierärztekammer Baden-Württemberg. Auch er habe bereits Erfahrung mit derartigen Erpressungsversuchen gemacht. „Bei mir hat zum Beispiel ein Tierbesitzer gefordert, dass ich meine Rechnung reduzieren soll und er sonst eine schlechte Bewertung auf Social Media abgibt“, so Steidl. Er habe dem Mann gesagt, dass der Gebührenkatalog nun einmal den angegebenen Betrag vorsehen würde. „Da darf man auf gar keinen Fall drauf eingehen.“
Wie lässt sich gegen Fake-Bewertungen vorgehen?
Daniel Ohl, Sprecher der Dehoga, teilt diese Haltung. „Stellen Sie sich vor was passiert, wenn wir anfangen würden, unsere Preispolitik nach Erpressung zu richten“, sagt Ohl. Für ihn ist es jedoch wichtig, zu betonen, dass Gäste und Gastgeber in der „ganz überwiegenden Mehrheit der Fälle“ freundlich zueinander seien. Auf der anderen Seite würde auch nicht jeder Gastronom oder Hotelier, dem eine solche Situation widerfährt, zur Dehoga kommen und davon berichten.
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Es gebe außerdem Möglichkeiten, eigenständig gegen falschen Bewertungen vorzugehen, sagt Fachanwalt Erath. Ein erster Schritt sei immer, das entsprechende Portal oder die Plattform, wie zum Beispiel Google, anzuschreiben. Wenn die falsche Bewertung von jemandem kommen würde, der nicht einmal Kunde bei dem Unternehmen war oder die geschriebenen Behauptungen offensichtlich als Fake zu erkennen sind, müsse Google der Anfrage nachgehen und den Nutzer anschreiben. „Wenn dann nichts zurückkommt, wird die Beurteilung in der Regel gelöscht.“
Bislang keine Fälle zur Anzeige gebracht
„Handelt es sich bei dem Schreiber der Bewertung um ein Fake-Profil, wie etwa Batman, wird der Post meist auch herunter genommen“, sagt Erath. Wenn es in dem Kommentar zudem Beleidigungen oder sogar eine Betrugsunterstellung gebe, dann handele es sich bei dem Post um eine Straftat, „die offensichtlich nicht erlaubt ist.“ Da Meinungen, wie „ich habe mich nicht wohlgefühlt“ oder „das Essen hat mir nicht geschmeckt“, aber selbstverständlich geäußert werden dürften, sei es häufig schwierig, nachzuweisen, wann es sich in der Bewertung wirklich um falsche Behauptungen handele. In solchen Fällen sollte der Betroffene auf Unterlassung klagen, sagt Erath. „Vor Gericht muss die Person dann beweisen, dass ihre Behauptungen stimmen.“
Ähnliche Fälle wie bei den Fake-Bewertungen im Netz habe es schon immer gegeben, so Daniel Ohl: „Früher war es eben die schlechte Mundpropaganda.“ Thomas Steidl, Präsident der Landestierärztekammer, widerspricht diesem Vergleich: „Ich glaube, bei der Mundpropaganda sagen die Menschen nicht vorher an, dass sie falsche Behauptungen verbreiten wollen.“ Zur Realität gehört allerdings auch, dass die baden-württembergische Kriminalpolizei noch keine Anzeige in dem Bereich erhalten hat. Das könnte vor allem daran liegen, dass die absolute Mehrheit der Betroffenen nicht auf die Erpressungen einzugehen scheint.