Die Macher des Zuffenhäuser „Fairteilers“ mit den ersten Waren Foto: Susanne Müller-Baji

Der neu eingerichtete „Fairteiler“ in Zuffenhausen-Rot rettet Backwaren vom Vortag vor der Vernichtung und macht sie allen zugänglich. Die Waren sind kostenlos.

Zuffenhausen - Auch wer kurz vor Ladenschluss eine Bäckerei betritt, will noch wohlgefüllte Auslagen vorfinden. Was dazu führt, dass regelmäßig große Mengen übrig gebliebener Backwaren vernichtet werden. Das darf doch nicht sein, haben sich gleich mehrere Bürgerinnen gedacht und sich im Zuffenhäuser Stadtteil Rot für einen „Fairteiler“ ausgesprochen: In den Plastikboxen am Roter Bürgerhaus bekommen Backwaren vom Vortag eine neue Chance – und kostenlos abholen darf sie jeder, der möchte.

Die Pandemie verzögerte das Projekt

Das ist eine bestechend gute Idee – und sie hat gleich mehrere Mütter: Bei einer Ansprache zu einer Feierlichkeit regte die stellvertretende Zuffenhäuser Bezirksvorsteherin Karin Buschkühl an, einen „Fairteiler” zur Lebensmittelrettung einzurichten. Daraufhin sprach sie Lisa Mühling von der Evangelischen Gesellschaft (Eva) an, die die gleiche Idee gehabt hatte. Im Februar 2020 gab es ein erstes Treffen mit der Initiative Foodsharing Stuttgart. Die ortsansässige Bäckerei Siegel Backkultur erklärte sich bereit, Backwaren zur Verfügung zu stellen. Doch dann kam Corona und das Projekt wurde ausgesetzt. Erst im Frühjahr diesen Jahres brachte die stellvertretende Grünen-Bezirksbeirätin Vanessa Gasber mit ihrer Anfrage den Stein wieder ins Rollen. Und so konnte jetzt der erste Roter „Fairteiler” eröffnet werden. Im Gegensatz zu anderen Stuttgarter „Fairteilern“ gibt es hier nur Backwaren, weil dabei die Lebensmittelsicherheit relativ leicht zu gewährleisten ist.

Vieles landet sonst im Müll

Zur Projektvorstellung verdeutlichte der Zuffenhäuser Bezirksvorsteher Saliou Gueye, warum es eine gute Idee ist: „Hunger ist weltweit die Todesursache Nummer 1!” Während in Deutschland niemand an Hunger stirbt, gibt es dennoch genug Bedürftige, die sich über das kostenlose Angebot freuen werden. Und immer mehr Menschen begreifen auch, dass es eine moralische Pflicht gibt, der Vernichtung von Lebensmitteln entgegenzuwirken. Denn in die Herstellung eines jeden Brötchens fließt Energie und Arbeitskraft – es ist viel zu schade, um einfach in der Mülltonne zu landen. Der Geschäftsführer der Bäckerei, Thomas Siegel, berichtete bei der Projektvorstellung von der Unmöglichkeit, die nachgefragten Warenmengen zu berechnen: „Da bleibt immer was übrig, da kann man noch so gut planen.”

Hygiene ist wichtig

Oft genug landen die Reste im Container, weil das leider die einfachste Lösung ist. Siegels Backstube ist da schon weiter und gab schon bisher Übriggebliebenes an einen Tafelladen beziehungsweise als Futtermittel an einen Landwirt ab. Einen Teil verarbeitet man auch selbst weiter, vermahlt Brötchen etwa zu Paniermehl.

Der Roter „Fairteiler” ist ein echtes Gemeinschaftsprojekt: Die Bäckerei stellt die Ware, Foodsharing liefert sie ans Bürgerhaus, Auricher Straße 34 A. Die Eva übernimmt die Verantwortung für die Lebensmittelhygiene, der Bezirksbeirat unterstützt das Projekt finanziell. Und das Team vom angrenzenden Stadtteiltreff Oase hat ein Auge auf die Boxen.

Auch altbackenes Brot ist gefragt

Nachgefragt bei Siegel: Geht deshalb weniger Ware an den Tafelladen? „Nein, da bleibt immer noch genug übrig.” Umsatzeinbußen befürchtet er auch nicht. „Die Leute wollen ja trotzdem lieber frische Brötchen!” Die lebensmittelechten Boxen am Bürgerhaus werden alle zwei Tage aufgefüllt – montags, mittwochs und freitags. Abholen darf die Backwaren jeder, bedürftig oder nicht. Es empfiehlt sich, eine Tasche oder ein anderes Behältnis mitzubringen.

Übrigens: Wenn man mal darüber nachdenkt, gibt es viele Speisen, für die das Brot altbacken sein soll: Semmelknödel, Ofenschlupfer, Fleischküchle, Croûtons. Wer sie selbst herstellt, spart Geld und Ressourcen, hat die Kontrolle über die Zutaten und gibt Brötchen eine zweite Chance.

Weitere Fairteiler gibt es auf www.foodsharing.de